Das Leuchtfeuer

2 Jahre, 3 Monate her - 15 September 2022, AutoBild
Porsche 964 Turbo S
Porsche 964 Turbo S
Porsche 964 Turbo S: Ausfahrt

Mit dem nur 86-mal gebauten S rettete Porsche vor 30 Jahren den Ruf des 964 Turbo. Eine Ausfahrt zeigt: Er ist wirklich revolutionär.

Als Michael Schumacher vor 30 Jahren noch gelegentlich für AUTO BILD testete, stellte ihm die Redaktion im Rahmen eines Supersportwagen-Vergleichs einen 911 Turbo hin.

Der damalige Benetton-Formel-1-Fahrer stupste mit dem rechten Zeigefinger auf dem vorderen Kotflügel herum und spielte in den Kurven ein bisschen mit dem querkommenden Heck, jedoch ohne sich zu begeistern. Zu schwer, zu weich, zu langsam: Der Turbo wirkte auf ihn aus der Zeit gefallen.

Kein Wunder. Mit Verspätung hatte Porsche der Baureihe 964 zum Modelljahr 1991 den schon 13 Jahre alten Turbomotor des Vorgängers verpasst – als eine Art Notlösung nach dem Scheitern des Performance-Projekts 965. Modern ging anders, das war allen klar.

1992 Kleinserie Turbo S aufgelegt

Der Ruf war angekratzt, als der neue Turbo Ende 91 in den USA die IMSA-Supercar-Meisterschaft gewann und Porsche 1992 eine hart nachgeschärfte Kleinserie mit einem "S" hinter "Turbo" auflegte.
Die haben wir 30 Jahre später noch einmal hervorgeholt für eine Tour über kleine Bergsträßchen, um nach dem wahren Turbo-Geist zu suchen. (Das sind die 100 schönsten Autos aller Zeiten)

Zunächst lassen wir es ruhiger angehen, als das Auto schon dem Auftritt nach will. Die Knallfarbe "Speedgelb" wurde damals extra für den Turbo S angemischt (und ziert bis heute die Sättel von Porsches Keramikbremsen).
Vier Zentimeter tiefergelegt

Die dreiteiligen Speedline-Felgen sind erstmals beim 964 18 Zoll groß und passen selbst ins verbreiterte Turbo-Radhaus nur mit Mühe. Frühe Standard-964 waren nur für 16-Zoll-Räder ausgelegt worden, für größere Formate mussten anfangs Blechfalze umgebördelt werden.
Beim Öffnen der Türen klingt das metallische Klicken des Mechanismus wie bei allen alten Elfern. Die Tieferlegung um vier Zentimeter spürt man aber schon beim Reinsetzen.

Die Tür selbst bewegt sich leichter und klingt beim Schließen auch weniger satt. Genau wie die Hauben ist sie aus kohlefaserverstärktem Kunststoff; Seiten- und Heckfenster bestehen aus Dünnglas. Ohne Rückbank und Airbags, ausgeformte Türverkleidungen und Dämmmaterial spart das 180 Kilo oder 13 Prozent des Gewichts.

Turbolader dämpft Ansauggeräusche
Akustisch fällt zunächst nichts auf. Auch in diesem Renngerät sorgt der Massenausgleich des Sechszylinder-Boxers für nahezu komplette Vibrationsfreiheit. Dazu dämpft der Turbolader die Ansauggeräusche.
Auch die perfekte Übersicht nach vorn und der miese Rückblick durch die schönen, außen zu flachen "Cup"-Spiegel täuschen 964-Normalität vor.

Doch dann fällt auf, wie schwer die 235er-Walzen an der Vorderachse zu drehen sind: keine Servolenkung! Und als Tempo 30 überschritten ist, klackern im ungedämmten Radhaus die ersten Steinchen; das brettharte Fahrwerk beginnt, jede noch so kleine Unebenheit direkt in den Schalensitz zu übertragen.

Die direktere Verbundenheit mit Fahrbahn und Maschine lernt der Fahrer schätzen, wenn er das Gaspedal durchtritt und die Drehzahl 3200 Umdrehungen überschreitet.
381 statt 320 PS

Einige Hundert Umdrehungen früher als der Standard-Turbo baut der S Ladedruck auf und wird binnen zweier Wimpernschläge vom Auto zum Kampfjet. Ab 4000 gibt es kein Halten mehr, bis 6800 kann gedreht werden. 381 statt 320 PS liegen maximal an.

Die Leistungssteigerung ist in erster Linie das Ergebnis geänderter Nockenwellenprofile, dazu hat der S etwas mehr Ladedruck, was in Summe sogar zu mehr Drehmoment im alltagsrelevanten Drehzahlbereich führt.

Mit der direkter übersetzten Lenkung und der aus dem 964 Carrera RS übernommenen Bremshydraulik des S wäre Schumi beim AUTO-BILD-Test wohl zufriedener gewesen als mit der Technik des Serien-Turbo.

Mit dem Motor wahrscheinlich etwas, aber vermutlich nicht wirklich. "Die Leistungscharakteristik ist von vorgestern. Ebenso abrupt, wie der Turbo einsetzt, riegelt oben der Begrenzer knallhart ab", resümierte der Formel-1-Pilot damals. "Dennoch schlägt er sich mit seinem uralten Heckmotor-Konzept beachtlich."
Mit dem stets milderen Klassiker-Blick kann man heute aber ruhigen Gewissens sagen: Das Auto ist schlicht und einfach sensationell.

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