Keiner dieser meist reparierbaren Oldtimer darf wieder fahren!

1 Jahr, 8 Monate her - 19 März 2023, AutoBild
Keiner dieser meist reparierbaren Oldtimer darf wieder fahren!
Wer auf diesen Riesen-Schrottplatz in Spanien rollt, kommt nur in Teilen wieder raus. Diese reparablen Oldtimer dürfen ausgeschlachtet werden, nur im Stück ist keiner zu haben. Ein Report, der Oldiefans gruseln lässt.

Die Anreise kommt uns zu recht spanisch vor: Mit dem Taxi vom Hauptbahnhof Ma­drid-Atocha sind es gerade mal 20 Minuten. Der Taxifahrer weiß sofort Bescheid, wohin wir wollen. Im Stadtteil La Torre angekommen, treten wir durch den Haupteingang in eine gigantische Halle. Benjamin, der Techni­sche Leiter von "Desguaces (spanisch für Verschrottungen) La Torre", empfängt uns. Aber wir müssen mit dem Auto hinfahren, zu Fuß wäre es zu weit.

Es geht heraus auf das eine Million Quadratmeter große Areal. Vorbei an unzähligen Autowracks, geparkt in Reih und Glied. Sortiert nach Herstellern. 15.000, ständig im Durchlauf. Wir kommen an Platz 10 an, Benjamin schließt uns das Tor auf. Die Clásicos sind noch mal extra eingezäunt. Zu viel Vandalis­mus in der Vergangenheit.
Oldiefans fühlen sich wie in einem Süßwarenladen

Am ­Anfang steht gleich ein ausge­brannter Porsche 911, Baureihe 993. Daneben Exoten aus den USA und Italien und auch dieser wunderschöne Opel Kapitän. Klassiker, so weit das Auge reicht, von allem ist was dabei. Ich fühle mich wie in einem Süßwarenladen. 1500 Fahrzeuge sind es derzeit, die hier zum Ausschlachten bereit­ stehen. Wir treffen auf die beiden Mechaniker Francisco und Sergio. Sie entfernen jedes bestellte Teil innerhalb von Minuten. Ihren Platz 10 kennen sie so wie ich meinen Carport.

Das Duo arbeitet einfach Bestel­lungen ab. "Fensterheber für BMW E34? Gleich da vorn." Es wird der linke benötigt. Zwei Minuten später zeigt Francisco uns die Beute. Mit dreimonatiger Garantie geht der Heber für 35 Euro nun auf die Reise nach Salamanca. Auf zum nächsten: ein Ford G­ranada Turnier 2.8i Ghia, Baujahr 1982. Das trockene, sonnige Klima lässt den Lack verblassen, aber Rost finde ich hier nicht. Die Innenausstattung müss­te nur gereinigt werden, und man hätte hier eine schöne Restaurie­rungsbasis. Aber nein, man darf nur Teile raustragen, nie ganze Autos.

Was steht hier noch? ­Diverse US-Straßen­kreuzer, Franzosen, Porsche 944 im Ganzen oder nur das Hinterteil, unzählige W 126er und 140er Merce­des S-Klassen, 124er-Mittelklas­sen, G-Modelle. Auch in Spanien stehen deutsche Young­timer hoch im Kurs. "Robuste Autos, wenig Plastik", urteilt Benjamin. Gelände­wagen, Transporter, obligatorisch auch Jaguar und diverse Opel und Ford in teilweise gutem Zustand.

Ein Audi 100 mit Bombenschaden steht auch hier

Und ein Audi A8 mit höchster Beschussklasse. "Den Audi 100, Baujahr '82, Opfer eines Bomben­anschlags der baskischen ETA-Separatisten, haben wir auch. Steht noch gut da. Hat der Chef weg­geschlossen. Audi wollte den für ihr Museum kaufen“, berichtet Benjamin bei 37 Grad sengender Mittagssonne. Dann zeigt er uns noch ein "Schätzchen": einen gerade angelieferten Toyota Tercel. "Den wollte ein Kollege ­direkt kaufen, als Winterauto", erzählt Benjamin.

Aber: Keine Chance, selbst für Mitarbeiter nicht. Nur in Tei­len, nie als Ganzes. Schade. Teilewünsche kann man per E-Mail oder Telefon stellen. Inner­halb von 24 Stunden kommen die Antwort und der Versand im spanischen Inland. "Wie bei Amazon Prime", scherzt Benjamin. Leider wurde der internationale Versand kürzlich eingestellt. Zu viele Probleme, behauptet der Mann. In Spanien bietet Desguaces (Website nur in spanischer Sprache) ein ­eigenes Liefersystem an. Zum Beispiel fährt zwei mal pro Woche ein firmeneige­ner Lkw nach Málaga im tiefen Süden.
Selbstbedienung ist bei den Klassikern nicht erlaubt

Anders als auf dem Clásicos-Parkplatz können die Kunden auf dem Rest des Geländes ihre Teile auch selbst an den Fahr­zeugen demontieren und an der Kasse bezahlen. Per Bus geht es über die endlosen breiten Straßen zum Stellplatz. Ein Freizeitpark für Selbstschrauber und Schnäpp­chenjäger. Wenn alles Verwertbare am Fahrzeug demontiert ist, muss die Karosserie am Ende in die Schrottpresse.

Zurück am Eingang setzen wir uns an die hauseigene Bar "La Torre", wo man sich bei Kaffee und Tostadas (Toast) vom Verschrotten erholen kann. Woher kommen die Autos? "Einige stammen noch aus den Abwrackprämien-Zeiten", sagt Benjamin, "andere hatten Unfälle. Manchmal sind es die Erben." Die scheuen Reparaturkosten oder Erbschaftssteuern und melden die Autos lieber ab. Benjamin: "Über eine Entschädi­gung von uns freuen sie sich mehr als über einen Young­timer vom Papa." Das Unternehmen wächst und wächst.

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