So finden Sie den besten SL

5 Jahre her - 3 April 2019, auto motor sport
So finden Sie den besten SL
Die ersten Mercedes SL-Modelle des Typs R129 im typischen Bruno-Sacco-Design werden jetzt 30 Jahre alt.

Ein großes Angebot und günstige Preise locken. Worauf muss man achten, und welche der vielen Versionen ist die beste?

Mit dem serienmäßigen Hardtop macht der Mercedes SL der R129-Baureihe auch als Coupé eine gute Figur. Und es steckt viel raffinierte Technik in ihm. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie die Journalisten bereits bei der SL-Premiere auf dem Genfer Automobilsalon im Frühjahr 1989 Schlange standen, um mal den neuen Integralsitz und das komplett elektrisch betätigte Verdeck mitsamt elektrisch verstellbarem Windschott auszuprobieren. Oder sie aktivierten den ausklappbaren Überrollbügel, der normalerweise sprungbereit hinter dem Windschott auf einen Überschlags-Crash wartet.

Beeindruckende Hardtop-Choreografie

Doch am meisten beeindruckt noch heute das wohl durchgeknallteste Komfort-Feature der Mercedes R129-Baureihe: das sich selbst ent- und verriegelnde Hardtop. Dazu muss man nur die rote Zaubertaste neben dem Automatik-Wählhebel drücken, und sofort scheint das 34 Kilogramm schwere Alu-Dach etwa drei Zentimeter über der Karosserie zu schweben, wo es zwei Personen abnehmen können. Umgekehrt das Gleiche. Auf Knopfdruck verbindet sich das Hardtop wieder mit der Karosserie. Es ist übrigens jener durchsichtige, rot beleuchtete Plastikschalter, der auch das vollautomatische Auf und Zu des integrierten Cabrio-Faltdachs regelt. Der kluge Mercedes weiß also von sich aus, welches Dach er gerade trägt, und vermeidet dadurch das Entfalten des elektrischen Stoffdachs unter dem Hardtop.

Dieses Hightech-Merkmal ist längst nicht die einzige Qualität des Roadsters. Ihn zeichnen außerdem ein vorbildlicher Rostschutz, ein zeitlos-elegantes Design, wertvolle Materialien und ein auch in anderer Hinsicht zukunftsweisendes technisches Konzept aus. Viele Eigenschaften also, die für ein echtes Langzeitauto sprechen, das immer noch in Leistung, Sicherheit und Bedienungskomfort hohe Ansprüche erfüllen kann. Heute spielt der R129 weit mehr als sein rostgeplagter Vorgänger vom Typ 107 die Rolle des idealen Alltags-SL.

Damals 7 Jahre Lieferzeit, heute reichlich verfügbar
Der Roadster, der anfangs unfassbare sieben Jahre Lieferzeit hatte, ist reichlich verfügbar, über 200.000 Exemplare wurden gebaut. Sein Preisniveau liegt niedrig, schon für weniger als 10.000 Euro gibt es brauchbare Exemplare, vor allem vom weniger gefragten Premieren-Typ Mercedes-Benz 300 SL-24.

Als der Mercedes SL der Baureihe R 129 seinen chromreichen Vorgänger R107 mit dem einzigartigen 70er-Jahre-Charme nach 18 Jahren Bauzeit ablöste, brachte er den für die Marke mit dem Stern typischen Innovationsschub. Ein Überrollbügel, der ab einer riskanten Querbeschleunigung selbsttätig ausfährt, sogenannte Integralsitze, die auch bei Cabriolets ohne B-Säule eine optimale Gurtführung gewährleisten und eine Verwindungssteifigkeit, die dank hochfest legierter Stähle ihresgleichen sucht. Als Zugabe verwöhnte das erwähnte, leichte Coupédach aus Aluminium.

Aufwändiges Fahrwerk nach Baby-Benz-Vorbild
Bis auf das Einsteigermodell Mercedes-Benz 300 SL, das mit legendärem Namen auf den bewährten, aber unspektakulären Dreiliter-Zweiventiler mit 190 PS setzt, treten die Versionen der ersten Serie mit Vierventilmotoren von hoher spezifischer Leistung an. Ein Konzept, das sich bis zum Zwölfzylinder-Typ 600 SL durchsetzt, dessen Triebwerk im Prinzip aus zwei 300-SL-24-Einheiten entsteht.

Auch die Fahrwerkstechnik des Mercedes-Paradesportwagens SL knüpft in der R129-Generation endlich an den hohen Standard an, der fast ein Jahrzehnt früher ausgerechnet vom Einsteigermodell 190 E vorgegeben wurde. Vorn die Dämpferbeinachse an Doppel-Querlenkern, hinten die Raumlenkerachse, ebenfalls mit zwei Querlenkern pro Rad, aber mit drei zusätzlichen Schub- und Zugstreben zur exakten Führung. Fahrwerksseitig ist so ein Mercedes SL der Baureihe R129 auch in Sachen Spurweite und anderen Grundabmessungen quasi ein Mittelklasse-W124. Das senkt heute die Teilepreise und sicherte einst in Bremen eine günstige Fertigung nach rationeller Plattformstrategie.

Rost ist beim Mercedes R129 kein Drama

Was der R129 gottlob nicht vom 124er geerbt hat, ist die ausgeprägte Rostanfälligkeit. Hier zeigt sich der moderne Sacco-Roadster für Mercedes-Verhältnisse vorbildlich resistent. Wenn die Korrosion den Mercedes R129 mal erwischt, was bei den durchweg hohen Laufleistungen der Sportwagen durch intensiven Ganzjahresbetrieb passieren kann, dann rostet er an den gleichen Stellen wie sein 2,7 Millionen mal gebauter Bruder.

Als Erstes sollte man bei der Besichtigung eines Mercedes SL der Baureihe R129 die Wagenheberaufnahmen unter den Plastikkappen der Schwellerverkleidungen inspizieren, dann die Dämpferbein- und Schraubenfederteller im vorderen Radhaus kontrollieren und zuletzt auf einer Hebebühne die Blechaufnahmen der Raumlenkerachse mit Taschenlampe und spitzem Schraubendreher untersuchen. Rost an den Türunterkanten, an den Radläufen und rundum oberhalb der Kunststoffbeplankung ist leicht sichtbar, die Umstellung auf Wasserbasislack steckte der in Kleinserie gebaute Luxus-SL viel besser weg als das Volumenmodell W124.

Wenn das Hardtop fehlt – Preisabschlag
Auch stilistisch überzeugt die Karosserie des Mercedes SL noch heute durch ihren bulligen, selbstbewussten und völlig schnörkellosen Stil. Einzige Zeitzeugen der damaligen Automode sind der weitgehende Verzicht auf äußeren Chromschmuck und die Kunststoff-Panele an den Flanken. Dank einer Wagenbreite von 1,81 Meter herrscht hinter dem großen Lenkrad kein Platzmangel. Mithilfe der Tasten des Minisitzes in der Tür findet der Fahrer auf dem wuchtigen Jet-Gestühl mit integriertem Sicherheitsgurt schnell eine bequeme Sitzposition. Überhaupt standen wohl maximale Bequemlichkeit und Funktionalität – wie bei den meisten Mercedes aus den 80er- und 90er-Jahren – im Daimler-Lastenheft an erster Stelle.

Das Interieur des Mercedes R129 ist obendrein von solider Qualität, aber im Laufe der Jahrzehnte reißen die Sitzwangen auf, das Leder wird spröde und rissig, und die Kunststoffauflage der Instrumententafel wellt sich. Ein neues Verdeck für den R129 kostet beim lokalen Mercedes-Vertreter übrigens 4.500 Euro, freie Anbieter wie Sonnenland oder KHM liefern es für etwas mehr als die Hälfte. Auf das attraktive Coupédach konnte gegen Minderpreis von 3.135 Mark verzichtet werden. Es gehört jedoch seit jeher zum SL-Konzept wie der kurze Radstand und der leistungsstarke Frontmotor. Wenn es fehlt, sollte dies mit einem heftigen Preisnachlass entschädigt werden.

Elektronik in ungekanntem Ausmaß
Der Mercedes SL der Baureihe R129 wurde bereits mitten in das Elektronikzeitalter hineingeboren. Da droht der kostspielige Steuergeräte-GAU. Bei der Probefahrt sollte der Kaufinteressent dringend darauf achtem, dass alle Kontrollleuchten nach dem Start erlöschen und dass der Motor spontan anspringt, gleich rundläuft und willig Gas annimmt. Ausreden wie längere Standzeit und „muss erst warmlaufen" sollten hier nicht gelten.

Triebwerke, die unwillig starten und nur zäh Leistung abgeben, können einen defekten Motorkabelbaum oder schwer zu diagnostizierende Fehler in der Zünd- und Einspritzanlage aufweisen. Das wird dann im Betrieb nicht besser, sondern schlimmer. Die einschlägigen Foren zum Mercedes R129 sind voll von hilflosen Anfragen rund ums Startverhalten.

Hohe Laufleistungen und ärgerliche Schwachstellen
Die Motoren vertragen durchweg hohe Laufleistungen, sind aber nicht frei von ärgerlichen Schwachstellen. Bei den Vierventil-Reihensechszylindern und Zwölfzylindern des Mercedes SL R129 sind es die Zylinderkopfdichtungen, bei den Achtzylindern sind es die Kunststoff- Gleitschienen der Steuerketten, die Probleme machen. Am besten, man tauscht beides prophylaktisch aus, bevor sich Motorschäden anbahnen. Das kostet einheitlich 1.500 Euro, beim V12 pro Zylinderbank, versteht sich.

Kenner wählen den R129 also mit V8-Motor. Selbst dessen Auftritt gleicht einer gelungenen Showeinlage. Der 326 PS starke Fünflitermotor des Mercedes 500 SL und seine Lebensadern verstecken sich unter einer großen schwarzen Kunststoffplatte, die selbstbewusst den Stern und in doppelter Ausführung den Markennamen zeigt. Zwei seitlich vorbeiführende armdicke Ansaugrohre bekunden die enorme Kraft des neuen M119-Motors.

Regelmäßige Wartung ist Pflicht
Er stemmt gegenüber seinem Fünfliter-Vorgänger im R107 gewaltige 81 Mehr-PS auf die Kurbelwelle. Vier Ventile je Zylinder und vier obenliegende Nockenwellen mit variablen Einlasssteuerzeiten machen den enormen Leistungszuwachs möglich. Eines ist klar: Die Mercedes-Baureihe R129 degradierte mit ihrer Supertechnik den direkten, bereits 1971 eingeführten Vorgänger R107 zum Oldtimer. Und das bereits im Jahr 1989. Doch wie fährt sich nun dieses Wunderauto, über das Gert Hack in auto motor und sport einst urteilte: „Er ist Technologieträger und universell einsetzbarer Sportwagen in einem und ganz nebenbei ein faszinierendes Auto."

Teure und komplexe Autos wie die Mercedes SL-Baureihe 129 brauchen dringend regelmäßige Wartung, um kostspielige Folgeschäden zu vermeiden. Ein möglichst lückenloses Wartungsheft sollte beiliegen, was bei der Risikogruppe unter 5.000 Euro sicher nicht der Fall ist. Wer sich von billigen Verbrauchswagen ins SL-Paradies verführen lässt, sollte sich des Risikos bewusst sein und noch mal 5.000 Euro flüssig haben, falls mal etwas verrutscht.

V6-Motoren mit schlechterer Laufkultur und Sound

Junge Mercedes SL-Typen nach dem 1998er-Facelift, das auch eine folgenschwere Motoren-Neuordnung mit sich brachte, lassen sich noch im Jahreswagenzustand mit wenig Kilometern auftreiben, ohne dass sie gleich doppelt so teuer sind wie der Zustand-2-Richtpreis von Classic-Analytics. Aber die häufig mit Xenon-Licht und Klarglas-Streuscheiben zwangsmodernisierten Wagen haben viel weniger Charme als die früheren Modelle.

Die Umstellung des Mercedes SL der Baureihe R129 auf kostengünstige 90-Grad-V6-Motoren mit drei Ventilen pro Zylinder vom Typ M112 bedeutete beim SL 280 nur eine minimale Leistungsteigerung von elf PS, der 320 V6 wurde sogar um sieben PS schwächer als sein namensgleicher Vorgänger. Laufkultur und Sound litten beim V6 ganz erheblich.

Der V8 heißt ab 1998 als enger Verwandter des V6 M113 und ist ebenfalls ein Dreiventiler, seine Leistung sinkt gegenüber dem Vierventil-Vorgänger um 14 PS, dafür zeigt er sich bei den Gleitschienen weniger anfällig – heißt es jedenfalls in den Mercedes R129-Foren. Die AMG-Modelle sind schon wegen ihrer außerordentlichen Seltenheit ein Kapitel für sich. Und für die fragwürdigen Marketing-Editionen zahlt nur dann jemand deutlich mehr, wenn er sie wirklich will.

Das kostet ein Mercedes SL der Baureihe R129

Freunde des Mercedes SL der Baureihe R129 schätzen nicht nur den Komfort und die Leistung des soliden und langlebigen Sportwagens, sie haben auch Gespür für den feinen Unterschied. Deshalb ziehen sie die brillanten Vierventil-Triebwerke ihren Rotstift-Nachfolgern vor. Vor allem der V6 wird dem First-Class-Anspruch des SL so gar nicht gerecht. Es lohnt sich auf jeden Fall, den Sacco-SL zu hegen und zu pflegen, die typimmanente Wertsteigerung wird auch hier bald greifen.

Den Sacco-SL der Baureihe R129 gibt es in mäßigem Zustand schon ab 6.900 Euro. Aber das luxuriöse Cabriolet ist aufwendig gebaut und verzeiht keinen Wartungsstau. Gut ausgestattete Mercedes SL 500 mit Vierventil-Motor sind am gefragtesten, gefolgt vom SL 320. Die Marktpreise nennen wir in der Tabelle.

Marktpreise Mercedes SL Baureihe R129

Fazit
Beim Mercedes SL der Baureihe R129 fällt die Entscheidung nicht schwer. Die älteren Modelle haben nicht nur im Detail mehr Charme, sondern auch die besseren Motoren. Etwa Vierventil-Reihensechszylinder statt der kostengünstigen 90-Grad-V6-Dreiventilmotoren. Unsere Empfehlung lautet: SL 500 oder SL 280 vor Baujahr 1998, vor Einführung der Dreiventiler auch beim V8-Motor. Denn die passen nun wirklich nicht in einen emotionalen, 30 Jahre alten Oldtimer.

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