Dass sogar schon ausgewiesene Oldtimer-Experten beim Kauf eines Klassikers hereingefallen sind, wirkt nicht wirklich beruhigend. Doch zum Glück passiert das sehr selten. Grundsätzlich gilt: Wer sich gut vor dem Erwerb eines Oldtimers oder Youngtimers informiert, hat die größten Chancen, sich oder den Kunden mit dem Auto glücklich zu machen. Aber bevor die Besichtigung oder die Probefahrt ansteht, gilt es, vorab schon mal die wichtigsten Punkte zum Erwerb des perfekten Modells im idealen Zustand zu klären.
Vor allem sollten wir, bei all den Emotionen, die uns nun überfallen wie ein Hormonsturm, einen kühlen Kopf bewahren. Wie wäre es daher mit einem festgelegten Plan? Wir empfehlen, zehn Punkte systematisch abzuarbeiten. Damit man auf der sicheren Seite ist und alles gut werden kann.
Punkt 1: Erster Eindruck
Der erste Eindruck ist entscheidend. Klingt banal, ist es aber nicht. Am besten, man umrundet das Objekt der Begierde aus einiger Entfernung, 10 Meter oder besser 20, wie ein Maler, der ein paar Schritte zurücktritt von seinem Werk und es in seiner Gesamtheit anschaut. Und dann lautet die Frage: Wie steht er eigentlich da? Ist die Bodenfreiheit vorn und hinten gleichmäßig, oder wurde am Fahrwerk gebastelt? Stimmen die Fluchten im Blech, oder ist das Auto womöglich krumm? Sind Kotflügel oder Türen nachlackiert worden? Minimale Farbunterschiede helfen, solche Dinge zu entdecken.
Punkt 2: Papiere, Historie, Schlüssel
Gleich zu Anfang den Papierkram erledigen! Am wichtigsten sind natürlich die Zulassungsdokumente. Zunächst die Fahrgestellnummern in den Papieren mit denen am Fahrzeug vergleichen – Zahlendreher können vorkommen, und sie können Schwierigkeiten verursachen. Lässt sich die Anzahl der Vorbesitzer nachvollziehen, oder sehen wir nur Fragezeichen?
Langjährige Eigentumsverhältnisse sind generell von Vorteil gegenüber rasch aufeinanderfolgenden Besitzerwechseln, denn im letzteren Fall stellt sich die Frage, warum das gute Stück eilig wieder abgestoßen wurde. Ist die Service-Historie lückenlos? Wurde das Auto in der Fachwerkstatt gewartet, beim Hinterhofschrauber oder womöglich gar nicht?
Falls das Fahrzeug im Ausland war, muss das kein Nachteil sein, oft ist es sogar beruhigend zu wissen, dass es die ersten 30 Jahre in Apulien verbracht hat oder in der Provence. Lassen Sie sich alle Rechnungen zeigen – auch diese sollten Fahrgestellnummer oder Kennzeichen aufweisen. Sind die Originalschlüssel vorhanden oder nur nachgemachte von Mister Minit?
Punkt 3: Karosserie
Hier sind vor allem die Spaltmaße von Hauben und Türen interessant. Sie sollten möglichst gleichmäßig und symmetrisch sein, wobei man im Hinterkopf behalten darf, dass Handarbeit in den 50ern nicht so präzise ausgefallen ist wie Roboter-Rohbau von heute. Besonders wichtig ist es, das Auto auf eine Bühne zu fahren und von unten zu betrachten, denn hier wütet Rost meist am schlimmsten. Auch lassen sich Stauchungen im Blech, die von Unfällen herrühren, sehr gut entdecken. Ist der Unterboden mit Bitumen zugekleistert, ist dagegen Vorsicht geboten.
Punkt 4: Lackierung
Ob der Oldie wie ein Neuwagen glänzen soll oder Patina tragen darf, entscheidet der Geschmack des Käufers. Beides hat seinen Reiz; in jüngerer Zeit wurden Autos im Erstlack stärker favorisiert – bis hin zum Hype. Sie haben den Vorteil, dass dieser nichts kaschieren kann, so wie eine Verkaufsdusche. Besonders bei frischen Lackierungen kann es passieren, dass Fehler im Lackaufbau erst später Symptome zeigen.
Hilfreich ist ein Schichtdicken-Messgerät, mit dem der Lackaufbau über das komplette Auto hinweg untersucht wird – 50 Messpunkte dürfen es schon sein. Werte bis etwa 300 Mikrometer (µm) können auf einen Erstlack deuten; darüber ist ein Fahrzeug in der Regel nach- oder neu lackiert. Werte bis 800 µm sprechen zumeist für eine Arbeit, die fachgerecht ausgeführt wurde. Oberhalb von 800 µm flächendeckend wurde vermutlich Spritzspachtel aufgetragen; ab mehr als 1000 µm (1 mm) über große Flächen wird es dann unprofessionell. Auch das Lackbild ist entscheidend: Orangenhaut, Läufer oder eingefallene Partien sprechen nicht unbedingt für gute Arbeit.
Punkt 5: Anbauteile und Verglasung
Ihr Favorit ist eine Fiat-Sonderkarosserie von Viotti? Dann sollten Sie sicherstellen, dass alle Zierleisten und Schriftzüge vollständig vorhanden sind. Denn Ersatz ist oft – wenn überhaupt – nur nach langer Suche aufzutreiben. Die Verglasung sollte idealerweise die originalen Hersteller-Ätzungen aufweisen und weitestgehend frei von Kratzern sein, vor allem die Windschutzscheibe. Denn auch hier ist Ersatz oftmals schwierig zu beschaffen. Bei einem Cabrio ist der Zustand des Verdecks mitentscheidend.
Punkt 6: Motor, Getriebe, Kraftstoffsystem und Abgasanlage
Die komplexesten Baugruppen gehen am meisten ins Geld, sodass hier der Zustand besonders wichtig ist. Gehört der Motor zum Fahrzeug, oder ist bloß ein ähnliches Aggregat verbaut? Alfa Romeo Giulia oder die 02-Serie von BMW beispielsweise wurden gerne mit mehr Hubraum versehen – dieser sollte auch eingetragen sein. Umgekehrt werden auch mal Porsche 911 S mit schwächeren T-Motoren angeboten. Daher sollten die Motor-Kennbuchstaben zum angebotenen Fahrzeug passen, ebenso die Kennungen beim Getriebe. In diesem Punkt helfen Clubs und die Literatur.
Gibt es Spuren von Kühlwasser, Feuchtigkeit unterhalb der Kopfdichtung? Sind Motor und Getriebe trocken, schwitzen sie ein wenig, oder sind sie gar tropfnass? Ein Blick unters Auto (Hebebühne!) hilft bei der Beurteilung des Zustands.
Nicht zu vergessen ist die Kraftstoffversorgung. Ist der Tank dicht? Sind die Spritleitungen porös? Tragen alle Vergaser dieselbe Typenbezeichnung?
Auspuffanlagen rosten aufgrund des Kondenswassers von innen nach außen durch – wenn Korrosion sichtbar wird, ist das Ende bereits nah. Dummerweise werden diese früheren Verschleißteile heute für Oldies in Kleinserien gefertigt; ihr Austausch kann deshalb ins Geld gehen.
Punkt 7: Fahrwerk, Bremsen, Lenkung und Räder
Diesen Baugruppen sollte ein Interessent schon deshalb die nötige Aufmerksamkeit widmen, weil sie sicherheitsrelevant sind. Also gehört das Auto auf die Bühne, und man braucht eine gute Lampe. Fahrwerksbuchsen sollten kein Spiel aufweisen, poröse und rissige Gummilager müssen erneuert werden. Sind die Stoßdämpfer ölig? Macht die Lenkung Geräusche? Ist eine Fahrwerksfeder gebrochen?
Seltene Felgen sind vielleicht nicht mehr so einfach zu bekommen – oder sie sind exorbitant teuer. Weil Reifen in Klassiker-Formaten häufig ebenfalls in Gold aufgewogen werden, wird ihr Ersatz gerne hinausgezögert – Gummi aus dem 20. Jahrhundert gehört jedoch unbedingt erneuert, das gilt ebenso für Bremsschläuche.
Punkt 8: Innenausstattung
Nehmen Sie eine Nase voll: Der Geruch nach modrigem Keller bedeutet tief sitzende Feuchtigkeit und lässt sich kaum je wieder loswerden. Achten Sie auf Vollständigkeit. Auch Löcher in Türverkleidungen oder Heckablagen können eine aufwendige Suche nach Ersatz nach sich ziehen. Ganz wichtig ist die Beurteilung der Oberflächen. Heute erhältliches Leder ist mit dem Originalmaterial von Oldtimern üblicherweise nicht zu vergleichen – weder in Haptik noch im Geruch; daher sollte man versuchen, die Bezüge zu erhalten – falls diese rettbar sind.
Punkt 9: Elektrik
Der Zustand der elektrischen Anlage wird gern mal vernachlässigt – man kann ja schließlich nicht in die Kabel hineinschauen. Aber ob die Isolierung brüchig ist, sieht man mit einem scharfen Blick. Nacheinander alle Verbraucher ausprobieren, die Beleuchtung auch in Kombination – Bremse und Blinker zum Beispiel gleichzeitig. Leuchten alle Kontrolllampen, und erlöschen sie nach dem Start des Motors?
Wie ist der Zustand des Sicherungskastens – fallen frei liegende Kupferlitzen auf? Sind einzelne Kabel einsam wie Urwald-Lianen im Motorraum oder unter dem Armaturenbrett verlegt?
Punkt 10: Probefahrt
Idealerweise ist der Motor zum Besichtigungstermin nicht warm gefahren, damit wir das Kaltstartverhalten beurteilen können. Stellen Sie den korrekten Reifendruck sicher und starten Sie auf eine Runde von mindestens fünf Kilometern. Nehmen Sie sich die Zeit: Wie hängt der kalte Motor am Gas, wie schaltet das Getriebe? In der Regel wird es mit zunehmender Temperatur besser. Wichtig ist der Geradeauslauf: Muss das Fahrzeug mit Anstrengung in der Spur gehalten werden, oder läuft es wie an der Schnur gezogen? Achten Sie auf Geräusche von Fahrwerk und Lenkung und darauf, ob das Auto durch Schlaglöcher poltert oder sanft darüber hinweggleitet.
Hören Sie auf das Auto; es wird sich Ihnen mitteilen. Vielleicht werden Sie Freunde. Oder gehen besser getrennte Wege.
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