Vom Verriss zur Legende

4 Jahre, 9 Monate her - 11 Juni 2019, auto motor sport
Vom Verriss zur Legende
Im ersten Test ließ auto motor und sport 1964 kein gutes Haar an ihm, zur Legende wurde der Ford Mustang trotzdem und zum wirtschaftlichen Erfolg sowieso. Was steckt hinter der Ikone?

Der Sommer 1964 war heiß und trocken. Die Höchsttemperaturen lagen im Juli bei 35 Grad. In dieser Zeit rollte der Ford Mustang in den Testfuhrpark von auto motor und sport. Der neue US-Ford war der Traumwagen des Jahres. Mit großen Erwartungen startete Testredakteur Reinhard Seiffert den V8 des sportlichen Viersitzers aus Detroit, eine der ersten US-Versionen. Bevor er zur Fotofahrt in der Sommerhitze aufbrach, kurbelte er alle Seitenfenster herunter. Aus dem Autoradio trällerten die Beatles einen ihrer ersten Hits: „I want to hold your hand". So entstand das Aufmacherbild für die Ausgabe, die am 22. August 1964 erschien.

as Bild auf dem Cover zeigt ein Sommeridyll: Seiffert cruist im neuen V8-Sportwagen aus den USA durch eine sonnendurchflutete schwäbische Landschaft. Die Chromteile des zweitürigen Coupés blitzen im gleißenden Licht: die lange Radioantenne, die Zierleisten um die Fenster, das Mustang-Emblem an den vorderen Kotflügeln, die Stoßstangen vorn und hinten, die Zierradkappen und die seitliche Chromblende vor der Hinterachse.

Die Technik der ersten Mustang-Generation

Unter der langen Motorhaube steckte der bekannte V8-Motor mit 4,7 Liter Hubraum (289 cubic inches). In der getesteten Version mit Vierfachvergaser leistete 190 PS. Maximales Drehmoment: 411 Newtonmeter. Als leistungsschwächere Variante gab es auch eine Zweivergaser-Version mit 175 PS. Als Standardmotorisierung offerierte Ford den Sechszylinder-Reihenmotor mit 3,3 Litern, der nur 101 PS stark war. In Deutschland kostete der Mustang als zweitüriges Coupé 16.250 Mark. Ein V8 war 600 Mark teurer. Das Standardgetriebe hatte drei Gänge. Für die Viergangversion verlangte Ford in Deutschland 620 Mark. Das Automatikgetriebe schlug mit 1060 Mark zu Buche.

Die Liste der Extras umfasste insgesamt rund 50 Positionen. Sie reichte von einer Klimaanlage bis zu einem Rallye-Paket für 380 Mark, das einen Drehzahlmesser und eine elektrische Uhr umfasste. Auch die Scheibenbremsen vorn wie auch den Bremskraftverstärker ließ sich Ford extra bezahlen. In der Basisversion verfügte der Mustang über Trommelbremsen, die weder wirkungsvoll noch standhaft waren. Das Fahrwerk war die Schwachstelle des Mustangs. Die Starrachse hinten mit Blattfedern sowie die weichen Stoßdämpfer vorn und hinten passten nicht zum sportlichen Coupé mit starken V8-Motoren. Dazu arbeitete die serienmäßige Lenkung sehr indirekt. Darüber konnte auch das schicke Dreispeichenlenkrad nicht hinwegtrösten.

Am Schreibtisch zog Testredakteur Seiffert ein vernichtendes Fazit: „Es wäre nicht sinnvoll gewesen, über diesen Wagen einen Testbericht zu schreiben!" Warum? „Unter Anlegung der für schnelle Wagen notwendigen Maßstäbe war der Mustang ein Versager". Versager? „Eine bedenkenlos zusammengebaute Großserien-Schachtel mit einem wunderschön elastischen und starken Motor."

Doch für das Folgejahr versprach Ford Verbesserungen und kündigte an, dass der Mustang dann erst für den Import bestimmt sei. Außerdem erhielten alle nach Europa ausgeführten Exemplare die Heavy-Duty-Ausführung mit verbesserten Bremsen, stärkeren Federn und wirksameren Stoßdämpfern. Für den neuen Ford sprachen von Beginn aber vor allem auch seine äußeren Werte: „Der Erfolg des Mustangs in Amerika ist zweifellos der Karosserieform zu verdanken", notierte Seiffert 1964.

Was macht den Ford Mustang so besonders?

Das Design machte den Mustang zu einem Kult-Auto. Dabei überließ der US-Hersteller nichts dem Zufall. Ein sportlicher Viersitzer mit der Eleganz klassischer europäischer GTs traf den Geschmack von zwei Dritteln aller amerikanischen Autokäufer. Auch beim Modellnamen ging Ford in die Tiefe. Der Spiegel berichtete 1964, dass insgesamt 6000 Pferdenamen zusammengetragen wurden, um die richtige Wahl zu treffen. Ford-Direktor Lee Iaccoca war vom Gesamtpaket so begeistert, dass er zur Markteinführung gleich „eine neue goldene Epoche" ausrief. Unterstützt wurde die Einführung des neuen Fords durch eine aufwendige Werbekampagne.

Die charakteristische Form mit hohem Wiedererkennungswert sorgte die hauseigene Designabteilung unter Chefdesigner Joe Oros. Der Sohn rumänischer Einwanderer arbeitete insgesamt 21 Jahre und zeichnete unter anderem die Form des Thunderbird. Der Entwurf für den Mustang stammt von Oros' Mitarbeiter David Ash. Für die gesamte Entwicklung investierte Ford umgerechnet 260 Millionen Mark.

Was ist ein Pony Car?

Für die Karosserieform mit der langen Motorhaube und dem kurzen Stummelheck wurde die Bezeichnung „Pony Car" geprägt. Zunächst gab es den Mustang in zwei Karosserieformen als Coupé und als Cabriolet. 1965 kam die Fließheckversion „Fastback" dazu. Diesen „Fastback" nutzte Carroll Shelby als Basis für den GT350, eine 330 PS starke GT-Rennversion, die ursprünglich für US-Privatfahrer gedacht war, aber auch in Europa eingesetzt wurde.

Warum hieß der Mustang in Deutschland offiziell T 5?

Die Firmen Kreidler (Motorräder) und Krupp (Lkw) hatten bereits ein Modell namens Mustang im Programm. Sie protestierten gegen die Verwendung des Modellnamens von Ford. So mussten die Autos für den deutschen Markt mit kleinen T-5-Zeichen versehen werden. Die Mustang-Logos blieben aber am Auto. Bis 1979 trug die Baureihe diesen Namen.

Was sind die berühmtesten Ford Mustang?

Um das sportliche Image des Mustangs aufzupolieren, wurden einige Rennversionen aufgebaut und eingesetzt. Dazu zählten die Autos von Rennstallbesitzer Alan Mann, die bei der Tour de France Automobile im September 1964 die Tourenwagen-Wertung gewannen. In Manns Heimat gewann Roy Pierpoint im Jahr darauf mit einem Mustang die britische Tourenwagen-Meisterschaft. Doch der berühmteste Ford Mustang ist sicherlich das Fastback-Coupé GT 390 aus dem Spielfilm Bullitt mit Steve McQueen aus dem Jahr 1968. Als Lieutenant Frank Bullitt jagt er in einer der berühmtesten Verfolgungsjagden der Kinogeschichte im V8-Coupé durch die Straßen von San Francisco. Bullitts Mustang gehört bereits zur zweiten Generation der ersten Baureihe die 1967 und 1968 angeboten wurde.

Wie entwickelte sich die Modellfamilie weiter?

Mit der zweiten, ab 1973 angebotenen Baureihen-Generation verblasste der Ruhm des Mustangs. Die Karosserie wurde kleiner und büßte die charakteristischen Züge der Ursprungsform ein. Als Motoren kamen zunächst nur Vier- und Sechszylinder zum Einsatz. Erst die ab 2004 angebotene fünfte Generation näherten sich die Ford-Designer wieder der ursprünglichen Formensprache an und setzten diesen Weg auch für die aktuelle Version ab 2014 fort. Seit Sommer 2015 wird der Mustang auch wieder offiziell in Deutschland angeboten. Im August 2018 feierte Ford mit dem zehnmillionsten Mustang ein neues Produktionsjubiläum. 1,1 Millionen Exemplare entfielen auf die bis 1966 gebaute Urversion.

Ford Mustang (1964): vom Verriss zur Legende

Der Ford Mustang entstand nicht durch Zufall: umfangreiche Kundenbefragung, ein schlicht gutes Design und viel Werbung machten das Pony Car zum Verkaufserfolg. Dass anfangs die Motoren Fahrwerk und Bremsen locker überforderten, hielt die Käufer nicht vom Kaufen ab. Die wurden erst müde, als der Mustang Form und Kraft einbüßte. Doch seit 2004 ist wieder alles gut: Retro-Design und starke Motoren holten den Mustang zurück auf die Bühne. Spätestens mit dem aktuellen Modell ist auch in sportlicher Hinsicht zu rechnen. Heute kommt hinzu, dass Saugmotor-Romantiker im Mustang einen der letzten frei atmenden Fünfliter-V8-Motoren kaufen können.

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