Diese Arbeit kostet Geld, Kraft und Nerven – bringt dennoch unendlich viel Spaß. Am Ende bleibt die Frage: Lohnt sich das? Eine Fallstudie an einem Mercedes W126 380 SEL Baujahr 1984.
Auch nach 30 Jahren hat eine S-Klasse der Baureihe W126 weder an Würde noch an Stil eingebüßt – wohl aber erheblich an Wert. Auch wenn die Preise in den vergangenen Jahren gestiegen sind; im Vergleich zum Neupreis ist so eine alte S-Klasse auch für Normalverdiener bezahlbar. Doch oft genug werden geschminkte Leichen zu überhöhten Tarifen angeboten – oder die Preise für gepflegte Schätzchen sprengen dann doch jedes Budget. Warum also nicht selbst Hand anlegen und eine schlechte S-Klasse herrichten? Doch lohnt sich eine Restaurierung? Rechnen wir mal nach.
Das passende Fahrzeug finden
Über den nüchternen Fakten steht die subjektive Frage, ob das zu restaurierende Fahrzeug überhaupt gefällt. Kollege Alf Cremers beschreibt das Gefühl W126 mehr als treffend:
"Was macht den besonderen Reiz des Mercedes W 126 eigentlich aus? Sein Qualitätsgefühl ist über jeden Zweifel erhaben. Vor allem die Fondtüren schließen mit unbeschreiblich sattem Klang. Lenkrad, Türgriffe und Bedienelemente fassen sich ungeheuer verlässlich und langlebig an. Das Fahrgefühl hinter dem großen Lenkrad der W 126-S-Klasse ist erhaben und macht glücklich. Es beruhigt ungemein, wenn sich die lange Motorhaube samt Stern vornedrauf ihren Weg durchs Verkehrsgewühl sucht. Tatsächlich ersetzt so eine S-Klasse der Baureihe W 126 vor allem in der SEL-Version das heimische Wohnzimmer. In Velours oder Leder ist es geschmackvoll gepolstert und hübsch dekoriert. Die drehmomentstarken V8-Motoren entfalten zum lässigen Komfort des 126ers jene Überschussleistung samt bassigem Wohlklang, die das Erlebnis S-Klasse so genüsslich steigern."
Statt Spritzigkeit erwartet der 380 SEL den Fahrer mit zuverlässiger Kraft und enormer Lässigkeit. Außerdem wurde der W126 vor 40 Jahren zum besten Auto der Welt gekürt und konnte auch im Jubiläumstest überzeugen. Wer kann diesem Versprechen widerstehen?
Vor der verliebten Überschusshandlung sollte man sich jedoch im Klaren sein, welche Konsequenzen der Start eines Restaurierung hat. Welche Problemstellen hat diese Baureihe in Bezug auf Karosserie und Technik? Wie sind die Marktwerte des Fahrzeugs in welchen Zuständen? Wie sieht die Teileversorgung aus? Verfüge ich über genug Ressourcen und Kenntnisse? Und habe ich überhaupt die Zeit dazu?
In diesem Fall wurde das Auto noch nicht aktiv gesucht. Ein klassischer Fall. Das Auto sucht sich seinen Besitzer: Zufällig hatte ein Bekannter Zugang zu einer stillgelegten S-Klasse mit folgenden, in Stichpunkten notierten Merkmalen:
Ein erster Check offenbart neben den üblichen Standschäden Rostbefall im Kofferraum und den hinteren Radläufen, sowie eine gebrochene Stabistange an der Vorderachse. Der Kofferraum wurde während der Standzeit offenbar undicht, sodass Feuchtigkeit für starke Durchrostungen in den Seitentaschen gesorgt hat. Der hintere Scheibenrahmen war bis auf geringen Flugrost aber in tadellosem Zustand. Hätte hier bereits der Rost gesessen, wäre das Projekt bereits beendet gewesen. Sämtliche elektrische Spielereien, die man ad hoc testen konnte, haben funktioniert. Ein großer 500er wäre zwar schöner gewesen, aber auch im 380er entfaltet sich das mächtige Gefühl eines Achtzylinders und für Spazierfahrten mit dem Oldtimer ist das durchaus genug.
Der Einsatz: 3.000 Euro Kaufpreis
Für 3000 Euro wechselte der Mercedes den Besitzer. Für eine Leiche zunächst ein stolzer Preis. Dadurch dass zusätzliche Anbauteile wie Türen, Motorhaube und Kotflügel in rostfreiem Zustand dabei waren allerdings gerechtfertigt.
W126 Schwachpunkt: Rost
Finden Sie einen Oldtimer, der nicht rostanfällig ist. Wer ein Restaurierungsobjekt sucht, wird Karosseriearbeiten nicht vermeiden können. Rostfreie Exemplare egal welchen Modells sind in der Regel in gutem Zustand. Abgesehen von wenigen verzinkten Fahrzeugen (z.B. manche Modelle von Volvo, Audi oder Porsche) nagt an jedem Fahrzeug der Rost. Jedoch ist auch das keine Garantie für intaktes Blech, da sich die Zinkschicht über die Jahre zersetzt.
Mercedes Benz hat bezüglich Rostvorsorge nicht den besten Ruf, jedoch zeigt sich die gute Verarbeitungsqualität im Vergleich zu anderen Marken. Dennoch gibt es viele neuralgische Stellen zu beachten.
Modelle der ersten Serie des W126 gelten als deutlich rostanfälliger. Ab 9/1985 wurden Modelle der zweiten Serien deutlich besser konserviert. Neuralgische Roststellen befinden sich bei beiden Modellen unterhalb der berühmten Saccobretter, unter den vorderen Blinkern und Scheinwerfern, in den Kofferraumtauschen und an den Seitenteilen. Besonders übel ist der Heckscheibenrahmen, der gerne aus dem Kofferraum nach außen hin zunächst unsichtbar durchfault. Optisch ärgerlich ist die an den Rändern milchig werdende Heckscheibe.
Entscheidend: intakter Scheibenrahmen
Die Karosserie des 380 SEL hatte auf den ersten Blick viel Rost. Die Kofferraumtaschen, Radhäuser und die Seitenwände waren stark angerostet und teilweise bereits löchrig. Ein großer Pluspunkt war der hintere Scheibenrahmen, der als K.O.-Kriterium gilt. Zudem waren alle Türen und die Motorhaube nicht mehr zu retten. Im Kaufpreis waren diese Teile – in Wagenfarbe lackiert – bereits enthalten.
Gerade bei der Langversion sind rostfreie Fondtüren schwer zu finden und sehr teuer. Nachdem Motorhaube und Türen getauscht wurden, mussten vor allem die hinteren Radhäuser und die Kofferraumtaschen großzügig geschweißt werden. Hier lohnt es sich mit maximaler Vorsicht zu arbeiten. Schlechte Schweißarbeiten und mangelnde Konservierung rächen sich schnell. Zusätzlich wurden nach der Beendigung der Karosseriearbeiten sämtliche Hohlräume mit Fett konserviert.
Gleitschienen und Ölleitungen checken
Die Technik der Baureihe W126 gilt grundsätzlich zwar als robust, aber Wartungsstau und Standschäden rächen sich auch hier. Der M116-Motor gilt als Dauerläufer, sollte selbstverständlich aber durch regelmäßige Ölwechsel gewartet werden. Ein Blick unter die Ventildeckel kann sich lohnen. Die Ölleitungen sind teilweise aus Plastik und können prophylaktisch ersetzt werden. Eine gebrochene Ölleitung kann zum Tod des ansonsten soliden V8 werden. Die Kunststoffgleichschienen der Steuerkette können ebenfalls brechen. Wer sicher sein will, sollte die Gleitschienen tauschen.
Ein W126 mag robuste Technik haben. Dennoch haben diese Autos – durch den Anspruch Luxusfahrzeuge zu sein – viele Angriffsstellen für Defekte:
Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen dieser Ära bleibt eine Fülle an kleinen schicken Extras, die vor allem bei langen Standzeiten und Feuchtigkeit gerne den Dienst quittieren. Ein schicker C-Kadett rostet ebenso gerne, hat aber deutlich simplere und in Summe weniger Technik als die Stuttgarter Schlachtschiffe. S-Klasse bleibt eben S-Klasse!
Teileversorgung
Bei der Instandsetzung eines alten Fahrzeugs ist die Teileversorgung das A und O. Nicht auffindbare Teile blockieren die Arbeit und führen im schlimmsten Fall zum Abbruch eines Projekts. Mit knapp 900.000 produzierten Exemplaren scheint die Ersatzteillage beim W126 zunächst ordentlich. Spezielle Teile sind allerdings schwer zu bekommen und haben der S-Klasse entsprechend ihren Preis. Die vordere Stabilisatoren-Stange bricht gerne an der Aufnahme zum Querlenker und die gibt es nur gebraucht zu Preisen zwischen 150 und 300 Euro. Für eine Metallstange ein starker Preis. Leider ist der Austausch ebenso schmerzhaft wie der finanzielle Einsatz. Die Stabilisatoren-Stange geht hinter der Spritzwand durch den Motorraum. Somit sind sämtliche Schläuche, Leitungen, Bremskraftverstärker, Sicherungskasten und Steuergeräte zu demontieren. Bei diesem Fahrzeug waren es zwei Tage Arbeit.
Intakte Chromteile und Holzapplikationen sind teuer, aber ein Muss. Chrom und Wurzelholz gehören zu den essentiellen Details. Wer sehr gute Stücke sucht, kann diese oft in Gold aufwiegen. Vor allem das Chrom von Fahrzeugen der zweiten Serie ist schwer zu beschaffen, da es deutlich korrossionsanfälliger ist. In jedem Fall sind Online-Marktplätze wie Ebay mit seinem Kleinanzeigen-Markt das Mittel der Wahl.
Kosten-Check
Der dicke SEL hat den TÜV mit geringen Mängeln bestanden und sein H-Gutachten erhalten. Ein Ritterschlag nach 19 Jahren Standzeit. Doch nun ist Zeit für Objektivität. Neben Spaß und Schweiß müssen zur vollständigen Bewertung des Projekts auch die Kosten (auf 5 Euro gerundet) aufgeschlüsselt werden.
= 6.440 Euro
Grob kalkuliert war das Ziel mit 2500 Euro Wareneinsatz für Teile und Material auszukommen. Im Ergebnis wurde das Budget um knapp 1000 Euro überschritten. Woran lag es? Die Preise bei der Baureihe W126 waren höher als erwartet. Bei der Arbeit fallen natürlich noch weitere Dinge auf, die beim Kauf nicht ersichtlich waren. Bezüglich der Arbeitszeit gab es keine Buchführung. Das Projekt stand nach fünf Monaten – bestehend aus Urlaubstagen und Arbeit nach Feierabend. Finanziell betrachtet ist trotz der höheren Ausgaben das Projekt ein Erfolg. Es ist zwar noch kein Wertgutachten vorhanden aber das Fahrzeug dürfte im Vergleich zum Markt einen grob geschätzten Marktwert von 12.000 Euro erzielen. Am Markt sind auch Fahrzeuge mit bis zu 25.000 Euro zu finden, welche aber nicht geschweißt und nicht lackiert wurden und aus Erstbesitz verkauft werden. Die Zeiten der billigen (und fahrbaren) W126 in Topausstattung sind wohl vorbei!
FAZIT
Das Gefühl ein Auto nach 20 Jahren Standzeit zum Leben zu erwecken ist phänomenal. Die Bestätigung in Form des H-Kennzeichens und bestandener Hauptuntersuchung gleicht einem Ritterschlag. Finanziell betrachtet kann sich eine Restauration durchaus lohnen – muss aber nicht. Viele Projekte werden zur Kostenfalle. Wer sich nicht übernehmen möchte, sollte im Voraus genau über Teilepreise und Marktwert des Autos Bescheid wissen. Aber Vorsicht: Wer die eigene Arbeitszeit einkalkuliert, wird in den wenigsten Fällen eine schwarze Zahl schreiben! Vor allem: Wie viel kostet eine Stunde Zeit mit dem Hobby? Deshalb sollte man als Privatperson solche Projekte nie rein betriebswirtschaftlich betrachten.
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