Martin Puthz: "Kein Klassiker ist langweilig. Aber viele werden durch Tuning noch aufregender"
Tuning-Oldies? Bäh! Vor ein paar Jahren hätte ich noch die Nase darüber gerümpft. Inzwischen bin ich toleranter, vielleicht sind es auch schon die ersten Anzeichen von Altersmilde. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Aber Tatsache ist doch, dass selbst die bizarrsten Styling-Exzesse aus der Distanz von Jahrzehnten in sanfterem Licht erscheinen. Und Fakt ist auch, dass technische Veränderungen manchmal erst im Rückblick als wegweisend erkannt werden. Klar: Man muss nicht alles gut finden. Die Kreationen mancher Bastelbude deckt zu Recht der Mantel des Vergessens, und ob man einem S-Klasse-Coupé Widebody-Kotflügel und Flügeltüren verpassen muss, sei in der Tat dahingestellt. Aber: "Autos schneller machen", so der Titel eines Standardwerks zum Thema, war in den tempoverliebten 70ern und 80ern zentraler Teil der Fahrkultur. Manchmal wurden sie auch nur optisch schneller gemacht. Doch wenn wir heute in Nostalgie schwelgen, dürfen wir auch das nicht einfach als Geschmacksverirrung abtun. Wer damals technische Modifikationen abgeliefert hat, die Hand und Fuß hatten, ist oft nicht ohne Grund immer noch im Geschäft. AMG und Alpina beispielsweise, die das Wort "Tuner" heute nicht mehr hören wollen, haben mal als genau das begonnen. Wären ihre Entwicklungen nicht gut gewesen, gäbe es sie heute gar nicht mehr. Auch Jochen Arden ist mit seinen aufgemotzten Jaguar ein gutes Beispiel dafür, wie und wann Tuning funktionieren kann: dann nämlich, wenn man die Begriffsbedeutung "Feinabstimmung" wörtlich nimmt. Autos zu verbessern muss nicht immer ein subtiler Akt sein. Aber wenn das Ergebnis aufregender ausfällt als das Serienmodell, bin ich sofort dabei.
Lars Busemann: "Die wenigsten Tuning-Maßnahmen verbessern die Eigenschaften eines Autos"
"To tune", nachgeschlagen im Englisch-Deutschen Wörterbuch, ergibt: abstimmen, anpassen, justieren, verbessern. Genau das geschieht in den Entwicklungs- und Versuchsabteilungen der Automobilhersteller. Im Lastenheft definiert der Vorstand exakt, welche Eigenschaften das zu entwickelnde Auto haben soll, in welchem Wettbewerbsumfeld es positioniert wird und was es kosten darf. Ein Extrembeispiel: Die Entwicklung des technisch sehr aufwendigen Mercedes W 140 in den 1980er-Jahren verschlang rund drei Milliarden Mark. Das Ergebnis ist ein harmonisch abgestimmtes Produkt, alle Komponenten arbeiten perfekt zusammen, mit dem Ziel, bestmöglichen Fahrkomfort und höchste Sicherheit zu gewährleisten. Entwickelt und getestet in jahrelanger Detailarbeit von Hunderten von Ingenieuren.
Jede technische Veränderung in solch einem Gesamtkunstwerk bringt Disharmonie. Gern genommen: Fahrwerk-Tieferlegung und extrem flache Niederquerschnitt-Reifen. Sieht ja geil aus und betont die Form. Aber mit welchem Ergebnis? Die überragendste Eigenschaft, der Federungskomfort, ist dahin! Kürzere Federn bringen weniger Federweg, härtere Dämpfer nehmen jede Samtpfotigkeit, breitere Räder sind lauter, erhöhen den Rollwiderstand, und Reifen mit niedrigem Querschnitt haben zudem weniger Federwirkung als Reifen mit höheren Flanken. Und: Ein so getunter W 140 wird gewiss kein sportliches Auto. Nur ein unharmonischeres, unkomfortableres, lauteres und teureres. Ein Positiv-Beispiel: Wer die Unterbrecherkontakte seines 60er-Jahre-Oldies ersetzt durch eine elektronische, kontaktlose Zündung, verbessert Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Aber die wenigsten Tuning-Maßnahmen sind tatsächlich welche: nämlich Maßnahmen, die die Eigenschaften eines Autos verbessern.
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