Die Themen Oldtimer-Tuning und H-Kennzeichen müssen einander nicht zwangsläufig ausschließen. Besonders in den 80er- und 90er-Jahren gehörte war es beliebt, die damaligen Fahrzeuge zu tunen. Es waren zwei Jahrzehnte mit einer boomenden Tuning-Branche. 30 Jahre später rutschen diese Fahrzeuge nun wieder in den Fokus der Liebhaber. Es werden auch heute noch viele Zubehörteile für diese Fahrzeuge angeboten. Grundsätzlich müssen die verbauten Teile den Vorschriften der StVZO entsprechen und gültige Prüfzeugnisse wie Allgemeine Betriebserlaubnis oder Teilegutachten aufweisen. Doch können derart umgebaute Fahrzeuge auch den begehrten Oldtimer-Status mit H-Kennzeichen erhalten?
Das Zauberwort heißt "zeitgenössisches Tuning"
Das H-Kennzeichen dient der Pflege und dem Erhalt technischen Kulturgutes. Modifikationen sind also nur in eng begrenztem Rahmen möglich – und in der Richtlinie für die Begutachtung von Oldtimer geregelt. Grundsätzlich müssen alle Modifikationen zeitgenössisch sein. Von "zeitgenössisch im Sinne des H-Kennzeichens" spricht man, wenn die Änderungen in den ersten zehn Jahren nach Erstzulassung nicht nur möglich gewesen wären, sondern auch mehrfach durchgeführt wurden. Dann dürfen solche Modifikationen auch nachträglich durchgeführt werden. Der Oldtimer-Besitzer kann das durch Rechnungen oder mit altem Katalog-/Bildmaterial beim Prüfer nachweisen. Allgemein ist es empfehlenswert, im Vorfeld das Gespräch mit den Experten der Prüforganisationen zu suchen; so kann man eventuellen Enttäuschungen vorbeugen. Doch was ist im Detail möglich? AUTO BILD blickt in den "TÜV-Anforderungskatalog für das H-Kennzeichen bei Oldtimern" und hat den TÜV-Experten Markus Tappert befragt.
Ist eine Auspuffanlage aus Edelstahl am Oldtimer erlaubt?
Originalgetreue Nachbauten von Auspuffanlagen (auch in Edelstahl) sind laut TÜV am Oldtimer möglich. Eine Fremdanlage nur dann, wenn sie optisch dem Original entspricht und keine Änderung im Geräusch-/Abgas- und Leistungsverhalten eintritt. Umbauten sind generell nur mit zeitgenössischem Zubehör möglich. Die Nachrüstung mit einem Katalysator ist grundsätzlich möglich, die Verringerung von schädlichen Emissionen ist vom Gesetzgeber generell erwünscht.
Lassen sich Scheibenbremsen am Oldtimer nachrüsten?
Eine Nachrüstung von Scheibenbremsen am Oldtimer ist laut Markus Tappert zulässig. Häufig wird dies mit dem Zugewinn an Sicherheit begründet. Sofern es diese Option wahlweise in der Fahrzeugbaureihe gegeben hat, ist ein Umbau möglich – ebenso, wenn ein entsprechend zeitgenössisches Prüfzeugnis vorliegt. Darüber hinaus steht jedoch die Originalität im Vordergrund.
Wie steht es um Elektrik und Beleuchtung eines Oldtimers?
Ein modernes Autoradio im Oldtimer wird vom TÜV akzeptiert. Auch Modifikationen des Kabelbaums und ein Umbau von sechs auf zwölf Volt sind möglich. Zusätzliche vorschriftsmäßige Scheinwerfer sind erlaubt. Der Umbau von Beleuchtungsteilen, zum Beispiel Rechteckscheinwerfer am Käfer oder Manta-Rückleuchten am Mercedes sind nicht erlaubt – außer, wenn es sich um zeitgenössisches Zubehör handelt.
Darf das Fahrwerk trotz H-Kennzeichen höher- oder tiefergelegt werden?
Ein H-Kennzeichen erfordert ein Original-Fahrwerk und keine Höher- oder Tieferlegung. Außer, diese war damals schon als legales Zubehör im Angebot. Verstell-Achsen, zum Beispiel an der Vorderachse eines VW Käfer, sind nicht zulässig. Des Weiteren sind nur Originalfedern oder originalgetreue Ersatzteile erlaubt. Härtere Stoßdämpfer sind möglich, aber nur mit den gleichen Anbaumaßen. Gerade in den 1980er- und 1990er-Jahren kamen Sportfahrwerke in Mode; teilweise existieren die ursprünglichen Hersteller nicht mehr, heutige Firmen fertigen aber entsprechende Federn neu. So sind auch Fahrwerksteile aus neuer Produktion zulässig, wenn sie vergleichbare Eigenschaften und ein gültiges Prüfzeugnis haben. Moderne Gewindefahrwerke mit verstellbaren Zug-Druckstufen oder Luftfahrwerke sind hiermit allerdings nicht gemeint, hier greift wieder die Zehnjahres-Regel.
Wie steht es um die Innenausstattung eines Oldtimers?
Der TÜV verlangt auch im Innenraum eines Oldtimers weitgehende Originalität. So ist ein Käfer mit Porsche-Armaturen nicht möglich, wohl aber Armaturen von einem jüngeren Käfer. Die Umrüstung der Innenausstattung auf Leder/Kunstleder oder andere Stoffe ist möglich, nicht aber das optische Aufmotzen zum Beispiel durch Zebra-Fell. Andere unauffälligere Fellbezüge sind möglich. Andere Sitze aus späteren Modellen des gleichen Herstellers können eingebaut werden, nicht aber Sitze eines anderen Herstellers (zum Beispiel Mercedes-Sitze im VW-Bus). Der Einbau zum Beispiel von Recaro-Sitzen ist nur dann möglich, wenn es sich um zeitgenössisches Zubehör handelt (mit Nachweis).
Karosserieumbauten und Anbauten aus GfK am Oldtimer
Nur Fahrzeuge mit originalem Rahmen erhalten das H-Kennzeichen. Nachfertigungen und Replikas sind am Oldtimer nicht gestattet. Umbauten, zum Beispiel von der Limousine zum Cabrio, sind laut TÜV in der Regel nicht möglich. Akzeptiert werden sie, wenn der Umbau mindestens 20 Jahre alt ist oder es diese Version im offiziellen Angebot des Herstellers gegeben hat, also ein Umbau in eine damals lieferbare Karosserieversion des gleichen Fahrzeugtyps erfolgte. Ein Umbau von einem Mercedes W 111 Coupé in ein Cabrio ist also möglich, ein Mercedes W 114 Coupé in ein Cabrio nicht. Akzeptiert wird laut TÜV bei Fahrzeugen mit separatem Rahmen ein Tausch mit zeittypischer Karosse, auch wenn diese in jüngerer Zeit hergestellt wurde. Zum Beispiel ein Umbau Rolls-Royce Leichenwagen in Open Tourer. GfK (Glasfaser)-Kotflügel oder andere GfK-Teile werden nur anerkannt, wenn ihr Erscheinungsbild nicht vom Original abweicht und diese Teile keine tragende Funktion haben bzw. zur Festigkeit des Rahmens beitragen. Komplett-Karossen aus GfK werden nicht akzeptiert. Mehrere zusammenhängende Teile aus GfK (z.B. Flipfront) werden vom TÜV ebenfalls nicht abgenommen.
Lässt sich eine Servolenkung am Oldtimer nachrüsten?
Die Nachfertigung von Original-Lenkrädern ist laut TÜV erlaubt. Holzlenkräder sind im Oldtimer nur dann zulässig, wenn sie original sind oder orginalgetreu nachgebaut wurden. Die Nachbauten müssen aber die Originalmaße aufweisen. Moto-Lita-Holzlenkräder sind zum Beispiel grundsätzlich nicht zulässig. Zeitgenössische Sport- oder Sonderlenkräder sind nur dann zulässig, wenn sie wahlweise ab Werk angeboten wurden oder nachweislich aus dieser Zeit stammen. Wer sich nachträglich etwas mehr Komfort gönnen will und über die Nachrüstung einer Servolenkung nachdenkt, muss sich laut Markus Tappert erkundigen, ob diese in der Fahrzeugbaureihe angeboten wurde – dann ist die Nachrüstung mit den entsprechenden Teilen H-konform möglich. Eine Servolenkung aus einem anderen Modell des gleichen Herstellers kann laut Anforderungskatalog des TÜV akzeptiert werden, wenn diese der StVZO entspricht und die Ausführung des Lenkgetriebes beibehalten wird.
Welche anderen Motoren sind trotz H-Kennzeichen möglich?
Es sind laut TÜV nur Motoren aus der Baureihe des jeweiligen Fahrzeugtyps zulässig oder ein anderer, mindestens 30 Jahre alter Motor des gleichen Herstellers. Ein neuer Motor unter der Haube eines Oldtimers muss baugleich sein, vom selben Hersteller stammen, den gleichen Hubraum haben und über die gleiche Leistung verfügen. Ein Jaguar XK kann also mit allen Motoren in der XK-Reihe ausgestattet werden. Eine Mercedes Pagode 230 SL bis 280 SL aber nicht mit den Doppelnockenwellenmotoren späterer Modelle. Ein Motor eines anderen Herstellers ist nur dann zulässig, wenn dieser schon vor mindestens 20 Jahren eingebaut wurde. Bei allen anderen Änderungen empfiehlt Markus Tappert, im Vorfeld das Gespräch mit den Klassik-Experten des TÜV SÜD zu suchen. Vergaser und Ansaugtrakt müssen original sein, das gilt auch für Nicht-Original-Motoren. Nicht-Original-Vergaser können anerkannt werden, wenn es sich um die gleiche Bauart (Steigstrom, Doppelvergaser) handelt oder um einen zeitgenössischen Umbau. Die Nachrüstung eines Kat ist innerhalb der Regeln möglich.
Welche Reifen und Räder sind am Oldtimer erlaubt?
Zeitgenössische Zubehörfelgen sind am Oldtimer erlaubt, vom Werk freigegebene Umrüstungen auch. Die Reifengröße darf maximal zwei Nummern breiter sein als das Original. Umrüstungen sind erlaubt, die nachweislich bereits vor 20 Jahren vorschriftsmäßig ausgeführt wurden. Alle im Räderkatalog für den betreffenden Fahrzeugtyp vorgesehenen Umrüstungen sind möglich, auch wenn sie nicht bereits vor 20 Jahren eingetragen wurden. Die Umbereifung von Diagonal- auf Radial-Reifen ist laut TÜV möglich; unterschiedliche Reifengrößen vorne und hinten nur dann, wenn sie ab Werk bereits vorgesehen oder im Räderkatalog bzw. zeitgenössischen Prüfberichten aufgelistet sind (also keine "Hot-Rod-Fahrzeuge"). Laut Markus Tappert ist es möglich, zeitgenössische Zubehörräder mit passendem Prüfzeugnis zu montieren. Die in jüngster Zeit vermehrt wieder angebotenen Nachbauten alter Zubehörräder sind ebenfalls zulässig, sofern sie sich in den alten Dimensionen bewegen und ein gültiges Prüfzeugnis vorliegt. (Hier geht es zum großen AUTO BILD-Sommerreifentest.)
Welches Tuning-Zubehör ist am Oldtimer okay?
Zeitgenössisches Zubehör ist laut TÜV möglich, wenn es den StVZO-Vorschriften entspricht (zum Beispiel Sonnenblendschutz, Brooklands-Rennscheiben). Gegenfalls ist ein Nachweis über Herkunft und Alter zu führen.
Quellen: TÜV-Anforderungskatalog für das H-Kennzeichen bei Oldtimern (TÜV SÜD und DEUVET), Markus Tappert (TÜV HANSE)
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