Rudolf Leiding, von 1968 bis 1970 der Generaldirektor von Volkswagen do Brasil und darum in der Auswahl seiner Dienstwagen naturgemäß festgelegt, wollte einen Sportwagen für seine Frau. Er konnte aber in der vorhandenen Modellpalette offenbar kein adäquates Auto finden. Es fehlte schlicht an Sportlichkeit und Exklusivität. So entstand die Idee, einen VW-Sportwagen zu bauen, der die Gattin überraschen und noch weitere Käufer begeistern sollte.
Technik aus dem VW-Baukasten, Optik eines Sportwagens
Leiding beauftragte ein Team junger Designer und Ingenieure, die sich 1970 an ihre Zeichenplatten stellten um ein 2+2-sitziges Coupé zu entwickeln. Das erste 1:1 Tonmodell wurde im November desselben Jahres fertig gestellt. Eine Direktive war, den VW-Baukasten kräftig zu plündern, um die Kosten für das vorläufig Projeto X genannte Modell niedrig zu halten. So wundert es nicht, dass die Vorderachse im Prinzip mit der des Käfers identisch ist, dass der Sportwagen auf einer nur leicht modifizierten Typ 3-Plattform aufbaut und auch dessen Mechanik weitgehend übernommen wurde. Inklusive Vierganggetriebe und Motor, der selbstverständlich im Heck steckt. Optisch verleugnet der SP seine Nähe zur drögen Verwandtschaft dagegen völlig. Lediglich die in Alu gefassten Doppelscheinwerfer zierten in ähnlicher Form auch andere südamerikanische Volkswagen. Interieur und Karosserie sind jedoch eigenständig. Das Design erinnert von schräg hinten an einen frühen Porsche 911 mit italienischen Styling-Elementen.
Glasfaser? Lieber nicht
Selbst über einen nicht alltäglichen Karosserie-Werkstoff wurde nachgedacht: mit Glasfaser verstärkter Kunststoff. Es fehlte Volkswagen aber jede Erfahrung mit dessen Verarbeitung und Haltbarkeit im feuchtschwülen südamerikanischen Klima. Also entstanden die Karosserien schließlich aus Stahl, zu Produktions-Spitzenzeiten 25 Stück am Tag. Und zwar bei Karmann-Ghia do Brasil. Denn die Südamerika-Dependance der Osnabrücker Autobauer wurde schon früh in die Entwicklung integriert, war man doch bereits 1960 als Partner für VW do Brasil mit eigenem Presswerk, Werkzeug- und Karosseriebau nach Brasilien in die Nähe der großen Autowerke nach Bernando do Campo vor den Toren Sao Paulos gezogen.
Der SP1 ging nicht gut
Vorgestellt wurde der SP1 in zwei Varianten auf der deutschen Industriemesse Anfang 1971. Der SP1 mit 54 PS aus 1584 Kubikzentimetern Hubraum entpuppte sich als Flop. Sein unverändert vom VW Typ 3 übernommener Flachboxer war für die sportliche Optik zu schwachbrüstig, 149 km/h Höchstgeschwindigkeit einfach zu wenig. Die geringen Verkaufszahlen führten nach kurzer Zeit zum Ende des günstigeren SP1. Auf immerhin 65 PS brachte es der SP2. Hierfür wurden der Hubraum mittels vergrößerter Bohrung auf 1678 cm3 angehoben und die Verdichtung auf 7,5:1 (statt 7,2:1) erhöht. Zwei Solex-Vergaser 34 PDSIT ersetzten die Version 32 PDSIT und komplettierten gemeinsam mit vergrößerten Einlassventilen das Werkstuning. Aber selbst nach 70er-Jahre-MaßStäben blieb der SP2 ein sehr milder Sportwagen. Zeitgenössische Spötter übersetzten das SP-Kiirzel darum auch gern mit "sin potenza", was wohl am ehesten "ohne Leistung" gleichkommt. Tatsächlich steht SP für Säo Paulo.
Wäre der VW SP2 etwas für Sie?
Die durch Modelle 1 und 2 lassen sich aber nicht nur durch ihre Motorleistung unterscheiden. Nuancen weist auch die Ausstattungsliste auf. Serienmäßig sollte der SP2 mit 14-Zoll-Magnesium-Felgen ausgeliefert werden. Ob dies tatsächlich geschehen ist, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei ermitteln – es spricht einiges dafür, dass der anspruchsvolle Werkstoff nicht in die Serienfertigung gelangte. Zumindest die 1973 von auto motor und sport sowie der amerikanischen Road and Track getesteten SP2, wie die Museumsmodelle von Karmann und Volkswagen, mit den für den SP1 typischen 14-Zoll-Stahlfelgen bestückt.
Tatsächlich beschränkten sich die Unterschiede wohl auf Amperemeter und Ölthermometer, Scheinwerfer mit Halogenlampen, Scheibenwischer-Intervall, Kartenleselampe in der Beifahrertür und Taschen in den Türverkleidungen.
Radio und Ledersitze als Extra
Details, die nur beim SP2 zum Standard gehörten. Ausgesprochen kurz war die Aufpreisliste: Es gab nur Radio und Ledersitze als Extra. Der Motor Klassik vom VW Museum zur Verfügung gestellte SP2 ist mit einem Radio bestückt. Man braucht es aber nicht wirklich, denn das Coupé ist kein Leisetreter. Ihm fehlt die klare Trennung von Mensch und Maschine. Lediglich die Motor-Wartungsluke, die einen Teil des hinteren Kofferaumbodens bildet, ist im Verbund mit dem darauf liegenden Teppich um Schalldämmung bemüht, aber chancenlos. Käfer-Fahrern kommt die Geräuschkulisse aus Gebläse-Heulen, Ventiltrieb-Rasseln und bollerndem Auspuff bekannt und dennoch ein wenig exotisch vor. Der Klangteppich scheint dichter gewebt und rückt den SP2 in die Nähe echter Sportwagen, weg vom Wolfsburger-Millionenseller. Die Nase lässt sich dagegen nicht so leicht täuschen. Sie erkennt die Abstammung an der Geruchsmischung, die der Heizung entweicht. Jene Melange aus warmer Luft und Ölmief, den nur die Wärmetauscher luftgekühlter VW-Boxer verströmen.
Wird es zu warm im SP2, der Motor strahlt auch bei abgeschalteter Heizung kräftig Hitze ab, lässt sich die Temperatur einfach und zugfrei mit den kleinen Ausstellfenstern vor der C-Säule regulieren. Kühl wird es im Sommer dadurch natürlich nicht, und spätestens jetzt wünscht man sich das zweite Extra, die Ledersitze. Im Serienzustand kamen nämlich Kunststoffbezüge zum Einsatz, die mit atmungspassiv nur unzureichend beschrieben sind und die Qualität der Sitze unnötig schmälern.
Guter Komfort auf langen Strecken
Überzeugen kann dagegen die Form der Möbel, die gemeinsam mit feinen Platzangebot auch auf längeren Strecken für guten Komfort sorgt. Der verfügbare Platz im Fond ist allerdings selbst für Kleinkinder zu knapp, und Polster finden sich dort auch keine. Ein mit Teppich bespanntes Holzbrett versucht hier vergeblich die Sitzbank zu imitieren und eignet sich nur als Abstellmöglichkeit für eine große Reisetasche. Als besonders durchdachtes Detail erweisen sich hier zwei Sicherheitsgurte, die Koffer bei einer Notbremsung in Position halten. Oder beim flotten Fahren auf der Landstraße, dem bevorzugten Geläuf des flachsten je produzierten Serien-Volkswagen. Das gut gestufte Getriebe mit seinen kurzen Schaltwegen und die direkte Lenkung, die den SP2 sehr handlich macht und darüber hinaus nur kleine Lenkkräfte fordert, laden zum zügigen Fahren ein. Den durchaus sportiven Eindruck unterstreicht der willig hochdrehende Motor, der erfreulicherweise schon bei verhältnismäßig niedrigen Drehzahlen für ordentlichen Vortrieb sorgt. Bis an den roten Bereich des Drehzahlmessers, der bei 5.000/min liegt, sollten sich nur ganz Mutige herantasten. Zum einen wegen der dann stark strapazierten Ventiltriebmechanik und zum anderen wegen der Fahrwerkskonstruktion. Sie stimmt im Wesentlichen mit jener der ersten Käferprototypen überein, muss es aber mit immerhin 65 PS aufnehmen. Wer sich mit dem für einen VW sehr hoch angesiedelten Grenzbereich angefreundet hat, erlebt auf kurvigen Straßen eine Menge Fahrspaß, der hitzige Heckmotor-Novize wird sich dagegen nach kurzer Zeit im Straßengraben wiederfinden.
Trotz seines hohen Spaßfaktors ist der SP2 in Deutschland praktisch unbekannt, denn Volkswagen hat ihn nie importiert. Lediglich eine Hand voll gelangte durch private Initiative hierher. Auf die 1973 von auto motor und sport-Redakteur Karl Ludvigsen gestellte Frage nach dem Warum entgegnete VW-Sprecher Werner P. Schmitt: "Ich wäre froh, wir könnten mit einer Antwort dienen, die so gut wie die Frage ist." Auf die Idee, ihre Gattinnen zu überraschen, kamen die deutschen VW-Macher offenbar nicht.
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