Fast 64.000! So viele Mercedes 190 (W 201) sind laut Informationen des KBA aktuell zugelassen (Stand: Januar 2017). Nicht viele davon tragen das ehrwürdige H für Klassiker, die bei Sonnenschein zum Spaß gefahren werden. Die Mehrheit schultert nach wie vor bei Wind und Wetter den Alltag ihrer Besitzer. Still, zuverlässig und unkaputtbar. Eine Selbstvertändlichkeit? Eher eine Sensation. Aber auch die verwundert beim näheren Hinsehen nicht.
Ein Auto aus der Zeit der Ingenieursautos
Der 190 entstand in einer Zeit, in der Mercedes die Kraftwagen noch als Ingenieursautos konzipierte. Die Form folgte der Funktion. So entwarfen die Stilisten einen Innenraum mit dem Charme einer Kantinenküche. Doch für die vom C 111 inspirierte Fünflenker-Hinterachse scheute Mercedes keine Mühen. Weil die damals üblichen Zeichenbretter für die Darstellung der Aufhängung nicht exakt genug waren, wurde ein Konstruktionscomputer mit einer Genauigkeit von 1/300 Millimeter beschafft. 60 Achskonstruktionen wurden entworfen und getestet. Und selbst in kleinen Details zeigt sich, wie penibel die Benz-Buben den 190 aufstellten: Die Radkappen tragen innen Ventilationsflügel zur Bremskühlung. Nur eines übersahen die Techniker: Die Kunden erwarteten von einem Viertürer, dass vier Personen reinpassen. Da konnte Mercedes noch so oft erklären, der W 201 sei als Kompaktauto zu verstehen. Längs eingebaute Motoren bis hin zum Reihensechszylinder, Standardantrieb und markentypisch hohe Anforderungen an die Crashsicherheit ließen auf 4,42 Meter Länge keinen Raum für Kompromisse und Kniefreiheit. Der Aufwand erlaubte auch keinen spürbaren Preisvorteil zur Mittelklasse-Baureihe. 1983 kostete der 90 PS starke 190 ohne E nur 279,30 Mark weniger als der 19 PS stärkere 200 (W 123).
Ein gepflegter W 201 ist praktisch unzerstörbar
Mit der Qualität können Macher wie Liebhaber dagegen bis heute hausieren gehen. Während viele 123er und einige 124 schon früh von der Korrosion gezeichnet wurden, altert der 190 viel rüstiger. Ein gepflegter 201 sieht Imperien entstehen und fallen, bevor auch nur sein Handschuhfachdeckel knarzt. Darin liegt sein größter Reiz. Eine ziemlich dröge Angelegenheit für alle, denen hervorragender Federungskomfort nicht als Qualität ausreicht. Schon bei seinem Debüt gilt der 190er nur im Vergleich zu den anderen Mercedes-Baureihen als dynamisch. Heute kurbelt der Fahrer ausufernd am großen Lenkrad, was dem Wagen träge Richtungsänderungen abnötigt. Der durch künstlichen Luftmangel stark gedrosselte 90-PS-Vergasermotor des Basis-190 mag das Drehen nicht. So lässt ihn die ruckige und noch programmfreie Vierstufenautomatik gern niedertourig vorandrücken. Mit Fahrfreude im konventionellen Sinn hat das alles nicht viel gemein, aber darum ging es dem 190 nie. Und wer ihm Strebsamkeit vorwirft, hat ihn nie verstanden. Er war schließlich nicht zum Spaß hier.
So entstand der Mercedes 190
Im Dezember 1982 präsentierte Mercedes die Baureihe 201 als 190 (90 PS) und 190 E (122 PS). Ein paar Tausend Autos entstanden noch in jenem Jahr, die Serienfertigung begann aber erst Anfang 1983 in Sindelfingen und Bremen. Im Laufe des Jahres ergänzten der 190 D (72 PS) und der 190 E 2.3-16 (185 PS) die Palette, der einfache 190 leistete nun 105 PS. Ab 1985 gab es den W 201 mit Kat, außerdem kamen der 190 E 2.3 (136 PS), der Sechszylinder 2.6 (160 Kat-PS) und der Fünfzylinder-Diesel 2.5 (90 PS). Ein Jahr später wurde der per Turbolader auf 122 PS geplustert. 1987: 2.5-16 (204, ab 1988 mit Kat 195 PS, ab 2018 erstmals H-Kennzeichen-fähig). Im Mai 1988 ereilte den 190 die einzig große Modellpflege. Er bekam die seitlichen Rempelleisten ("Sacco-Bretter"), Gurthöhenverstellung vorn, den rechten Außenspiegel serienmäßig elektrifiziert und Sitze mit Schaum- statt Federkern. Der 190 mit Vergaser entfiel 1990, ihn ersetzte der 190 E 1.8 (109 PS). Durch kleinere Änderungen steigerten alle Motoren ihre Leistung um ein paar PS, ab 1992 überbrückten Sondermodelle (DTM 1992, Berlin 2000, 190 E 3.2 AMG, Avantgarde) die Zeit bis zum Produktionsstopp 1993.
Technische Daten eines Mercedes 190 von 1982
Mercedes-Benz 190 Motor:
Plus/Minus des 190ers
Der 190 stammt aus der goldenen Zeit des Autobaus: wenig Elektronik, solide Technik, hervorragende Rostvorsorge und dazu eine penible Verarbeitungsqualität. Auch 35 Jahre nach seinem Debüt wirkt der kleine Benz kein bisschen veraltet. Schon die ersten Modelle gab es gegen Aufpreis mit ABS und Airbags. Fahrverhalten und Komfort genügen auch heute noch hohen Ansprüchen. Benziner lassen sich problemlos mit einem Kaltlaufregler auf die Abgasnorm Euro 2 umrüsten. Bleibt als größtes Manko das geringe Platzangebot. Während Rost im Alter nur bei wenig gepflegten Exemplaren auftaucht – bei der ersten Serie häufiger als bei Modellen ab 1988 –, sollten Interessenten Differenzial, Lenkung und Schiebedach checken.
So sieht die Ersatzteillage aus
Mercedes-Benz Classic selbst für seltene Modelle wie die Sechzehnventiler 2.3-16 und 2.5-16 noch alle relevanten Teile liefern, jedoch zu heftigen Preisen. Es geht aber billiger: Schrauber holen sich die Teile bei freien Händlern oder vom Schrottplatz. Da parkt eine ausweidbare Auswahl der knapp 1,9 Millionen gebauten 190. Dort finden sich dann mit etwas Glück auch Teile, die schwer aufzutreiben sind: Türverkleidungen in seltenen Farben oder andere Details, mit denen nur wenige Autos bestellt wurden.
So sieht die Marktlage aus
27 Jahre nach Produktionsende fahren noch immer mehr als 50.000 Modelle des 190 durch Deutschland. Entsprechend üppig fällt das Angebot aus. Mit 2600 Euro listet Classic Data den Vierzylinder mit 90 PS im Zustand drei. Wer einen 190 E 1.8 mit Kat will, muss 1800 Euro für ein Auto im Zustand drei anlegen. Nur wenig teurer sind Sechszylinder 2.6 (rund 2800 Euro). Dafür schlägt ein Sechzehnventiler deutlich heftiger zu Buche. Hier wollen für ein Auto im Zustand drei 13.300 Euro investiert werden.
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