Was läuft da schief bei den Prüforganisationen?

3 Jahre her - 10 März 2021, AutoBild
Was läuft da schief bei den Prüforganisationen?
"Mit frischem TÜV" gilt immer noch als eines der besten Argumente beim Gebrauchtwagen-Verkauf. Zurecht? Diese fünf Schrottautos sprechen dagegen.

Wenn eine Prüforganisation wie der TÜV einen Wagen begutachtet und mit der frischen Hauptuntersuchungs-Plakette (HU) ihren Segen gegeben hat, kann es doch kein schlechtes Auto sein! So denken zumindest viele Gebrauchtwagenkäufer. Wir haben fünf krasse Beispiele zusammengetragen, die beweisen: Eine frische HU-Plakette ist kein Garant für ein gutes Auto! Und sie sind kein Einfall: Immer wieder berichten AUTO BILD-Leser davon, dass sich ihr neuer Gebrauchter trotz neuem TÜV kurz nach dem Kauf als Schrotthaufen entpuppte.

Isabelle Renaud und ihr VW Bulli T4

"Ich habe mir im Juli 2020 von privat einen T4 gekauft, er war von einem Tischler sehr hübsch als Camper ausgebaut. Auf den ersten Blick sah er super aus, ich zahlte 7500 Euro. Der Bulli hatte da noch ein Jahr TÜV, er war im Juli 2019 mit 'geringen Mängeln' durch die Prüfung gekommen. Inzwischen war er nur 3000 Kilometer bewegt worden. Dann sah ich, dass der Wagen völlig vergammelt ist. Ich brachte den Wagen zur gleichen Prüforganisation, aber zu einem anderen Prüfer. Ergebnis: Rahmen und Radhäuser durchgerostet, Motor leckt und so weiter. Der Bulli hätte schon 2019 keine Plakette bekommen dürfen. Ich beschwerte mich bei der Organisation, die winkte ab. Der Unterboden sei mit Unterbodenschutz überzogen gewesen. Und dessen flächendeckende Entfernung sei nicht Aufgabe eines Prüfers. Ich habe vorerst die durchrosteten Radläufe mit Panzerband geklebt, damit keine Nässe ins Auto kommt. Im Einstiegsbereich hat der Vorbesitzer die Löcher ebenfalls nur notdürftig verklebt."

Bernd Lange und sein Cadillac

"Ähnliches ist mir im Jahr 2008 auch mit einer Prüforganisation passiert. Ich hatte damals einen Cadillac-Oldtimer gekauft. Die Hauptuntersuchung und das H-Kennzeichen waren gerade einmal fünf Monate alt. Anschließend durfte ich erst mal 3000 Euro investieren, um am Fahrzeug alle sicherheitsrelevanten Mängel zu reparieren und es somit überhaupt fahrfähig zu machen. Es folgte eine längere Korrespondenz mit der Prüforganisation. Ich äußerte die Vermutung, dass es sich eventuell um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte. Darauf wurde mir mit juristischen Folgen gedroht. Für mich hat das Prüfsiegel seitdem keinerlei Aussagekraft mehr."

Manuela Grube und ihr Fiat Ducato

"Meinen Fiat Ducato habe ich im November 2019 in Köln bei einem Autohändler gekauft. Natürlich mit frischem TÜV, sonst hätte ich den nicht genommen. Ich wollte ihn zum Camper ausbauen, fuhr damit zurück zu meinem Wohnort in die Nähe von Bremen. Immerhin 300 Kilometer. Hinterher habe ich erfahren, dass das lebensgefährlich gewesen ist. Denn hier bin ich in die Werkstatt, eigentlich nur für Kleinigkeiten. Die haben mich nicht mehr mit dem Wagen vom Hof gelassen, sie hatten Angst, dass ich nicht zu Hause ankomme! Die Bremsen waren völlig hin! Ein Beweissicherungsgutachten hat dann Mängel und Schäden festgestellt, mit denen der Wagen nie die HU hätte bestehen dürfen. Die Schäden übersteigen den Wert des Fahrzeugs um fast das Doppelte! Seit über einem Jahr versuche ich nun den Wagen zurückzugeben, seit einem Jahr liege ich im Rechtsstreit mit der Prüforganisation. Ich frage mich: Was bringt eine HU-Prüfung noch? Da kann ich auch mit der Wünschelrute ums Auto rennen."

Michael Volkmer und sein VW Bulli T3

"Eine Bekannte hat 2018 einen T3 mit frischer Plakette und H-Kennzeichen für rund 17.000 Euro gekauft. Die Verkäufer hatten extra Fotos von der Restaurierung geschickt, die wohl zeigen sollten, wie toll das Auto ist. Auf dem Rückweg merkte sie, dass die Bremse nicht gut funktionierte. In der Werkstatt sagte man ihr, dass mit dem Auto etwas nicht stimmen könne. Die Käuferin ließ ein Gutachten anfertigen. Ergebnis: Der T3 hat diverse Mängel. Die verbauten Sitze sind aus einem Mercedes SL und nicht eingetragen. Es ist ein anderer als der Originalmotor eingebaut und nicht eingetragen. Es ist keine Eintragung als Wohnmobil vorhanden – trotzdem gibt es eine Gasabnahme. Und noch diverse HU-relevante Sicherheitsmängel: Bremsleitungen schlecht befestigt, Tankstutzen rissig, Koppelstange und Stabilisatorgummis der Vorderachse ausgeschlagen, Reifen rissig. Fünf Monate zuvor hatte der Bulli eine frische Plakette bekommen. Wie das gelungen ist, ist mir ein Rätsel. Wir haben jetzt eine neue Bremsanlage und den ursprünglichen Motor eingebaut und lassen alles eintragen.“

Achim Grimm und sein Alfa Romeo

"Auch mir ist dies so passiert. Ich kaufte einen Alfa Romeo Giulia GT Bertone, Baujahr 1975, am 23. Dezember 2015. Er hatte kurz zuvor die Prüfplakette bekommen. 'Keine Beanstandung' steht auf dem Bericht, wie auch schon bei der Abnahme zuvor! Die Plakette überzeugte mich, und ich kaufte den Wagen nach der Besichtigung. Wie sich nur wenige Tage danach herausstellte, war der Wagen schrottreif. Alles schön von unten überpinselt und einmal von oben geduscht. Der Wagen war fast überall durchgerostet, sogar die Längsträger sahen wie ein Schweizer Käse aus. Ein eingeschalteter Anwalt kostete nur eine Menge Geld. Da man bei einem Privatkauf nie den Verkäufer in Regress nehmen kann, versuchte ich es bei der Prüforganisation. Nach Monaten mit Briefwechseln und Gutachten sagte mir mein Anwalt, dass man dem Prüfer vor Gericht eine Absicht nachweisen müsse und dies praktisch nicht möglich sei. Es kam leider nicht mehr zur Verhandlung, und nun muss ich die ganze Reparatur aus eigener Tasche zahlen. Mittlerweile habe ich in dieses Autograb über 1000 Stunden (in einer Werkstatt) investieren müssen.“

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