Jeden Herbst überfällt uns die Ostalgie: Ganz besonders, wenn wir am 9. November den Tag des Mauerfalls vor 35 Jahren feiern. An diesen Tagen im November bereiteten die Ostdeutschen mit ihrer friedlichen Revolution die Öffnung der innerdeutschen Grenze vor und ebneten den Weg für die Wiedervereinigung. Gerne denken wir zurück an die automobile Vielfalt aus der Zeit des geteilten Deutschlands. Ob deutsche Autos der 80er oder die Autos im Osten: Mit der Zeit hat sich der Blick verklärt.
Das gilt insbesondere für die Autos der DDR. Lange war deren Wert verkannt: Einerseits wurden in der DDR bis in die späten Achtziger frühe Techniken des 50er-Jahre-Motorenbaus wie der Zweitakter weiter verbaut. Zudem galten gleich in der Nachwendezeit die überkommenen Autos aus Ostproduktion als maximal unbeliebt. Da schielte man in den fünf Bundesländern im Osten eher nach jedem noch so schlecht erhaltenen Westwagen, anstatt die eigenen Autos aufzubewahren. Der Blick zurück macht klar: Die DDR bot eine bunte und reiche Vielfalt an Autos!
Zwei-Klassen-Mobilität in der DDR
Junge Menschen in Ost- wie in Westdeutschland einte seit den 50er-Jahren das Bedürfnis, ein eigenes Auto zu besitzen und zu fahren. Während die Massenmobilität im Westen immer weiter um sich griff, blieb der Autobesitz in der DDR immer eine knifflige Sache. Der Besitz des eigenen Autos setzte extrem lange Geduld, große Sparsamkeit, den Zugang zu Westdevisen oder gute Beziehungen voraus. Oder manchmal eine Mischung aus all diesen Faktoren. Die einfachen Fahrbedürfnisse erfüllte der Trabant, mit (knappem) Platz für vier und einem Zweizylinder-Zweitakter mit meist 23 bis 26 PS.
Gemessen daran war gehobenes Fahren möglich im Wartburg, mit ausreichend Platz und 37 bis 50 PS aus einem Dreizylinder-Zweitakter. Dieses Auto war nicht leicht zu bekommen, von den 32.000 pro Jahr produzierten gingen viele in den Export. Ärzte und Ingenieure fuhren Wartburg in der DDR, auch die Polizei. Der Wartburg war eines der wenigen Statussymbole der DDR, immerhin 1,2 Millionen wurden produziert, vom Trabant waren es fast drei Millionen Stück.
Zu geringe Eigenproduktion
In ihrer gesamten Zeit konnte die DDR nie eine ausreichende Anzahl an Autos selbst bauen, der Markt war nie gedeckt. Aus eigener Herstellung stammten Sachsenring Trabant und Wartburg aus der ehemaligen EMW-Fabrik in Eisenach. Wegen der langen Wartezeit – sie lag zwischen zwölf und 17 Jahren – entwickelte sich ein für den Staat schwer zu kontrollierender Schwarzmarkt, mit der Besonderheit, dass gebrauchte, weil sofort verfügbare Autos teurer waren als neue.
Aber auf teils verschlungenen Umwegen fanden eine Vielzahl von Ostautos wie auch Pkw aus westlicher Produktion ihren Weg auf die Straßen der DDR. Die Lizenzversion des Renault 12, gebaut von Dacia in Rumänien. Die Lizenzversion des Fiat 124 kam als Lada 2101 in die DDR, später der Nachfolger Lada Nova. Wer Westkontakte hatte, konnte sich ein Auto schenken lassen oder gar für Westdevisen importieren. Dann waren auch Citroën GSA, Mazda 323 oder gar Volvo 244 in Reichweite. Aber immer griff der gierige Staat zu, Westautos waren übermäßig teuer in der DDR. Zum Ende der DDR waren in den 14 Bezirken gerade mal 3,9 Millionen Pkw angemeldet. Interessant ist auch der Systemvergleich auf Autos, die zeitgleich in der DDR unterwegs waren wie Wartburg und Golf 1.
Wie der Trabi der DDR einfache Mobilität bescherte
Die Massenmobilität der DDR ist ohne den Trabi nicht zu denken. 1957 kam das erste Modell P50 mit Zweizylinder-Zweitakt heraus. Mit der Zwei-Tür-Minilimousine P 601 kam 1964 das meistgebaute Auto der DDR heraus, war auch als Kombi praktisch wie erfolgreich. Der Trabant bedeutete für viele in der DDR in einer drangsalierten Gesellschaft ein bisschen individuelle Freiheit, das Auto wurde gar als Symbol des Widerstands gegen die DDR interpretiert. In den Wendejahren ging es dem Trabi wie dem Wartburg: Mit 1,1-Liter-Polo-Motor sollte er auf West gedreht nochmals groß rauskommen. Das misslang. Nach dem 9. November 1989 warf man ihn zigtausendfach weg.
Der Wartburg machte Mittelklasse-Fahren möglich
Mitte der 50er-Jahre ermöglichte der Wartburg 311 den DDR-Bürgern das Fahren in der automobilen Mittelklasse. Mit vier Türen und einem Dreizylinder-Zweitakter brachten die Automobilwerke Eisenach die formschöne Limousine heraus, die auch als Kombi (312) und Cabrio (313) erhältlich war. Gegenüber dem Trabis fuhr der Wartburg in einer anderen Klasse, allein schon seine Länge von 4,30 Metern machten ihn zu einem ausgewachsenen Auto.
Die Bezeichnung 312 trug zwei Jahre lang ein Übergangsmodell. Das wurde 1966 vom neu konstruierten Wartburg 353 abgelöst, der, halbwegs modern, in seiner Grundform bis zum Ende der DDR gebaut wurde, fast 22 Jahre lang unverändert! Besonders attraktiv war die Kombiversion Wartburg Tourist. Der Versuch der West-Ost-Synthese, also der Wartburg 1.3 mit VW-Motor, blieb ein Misserfolg: Zur Wendezeit wollte niemand ein Ost-Auto mehr. Heute fährt der Wartburg im kollektiven Bewusstsein weiter, das Kraftfahrzeug-Bundesamt weist noch 8985 zugelassene Eisenacher Autos aus.
Gab es Luxusautos in der DDR?
Jeder Autofan kennt Trabant und Wartburg, aber nur im Osten sind die großen anderen Marken der DDR ein Begriff. Barkas? IFA? Robur? Für viele im alten Westen sozialisierte Menschen sind das unbekannte Marken. Dabei umfasste die Autowelt der DDR viele Facetten und Produkte: In den 50er-Jahren wurden in der DDR sogar dicke BMW- und EMW-Schlitten gebaut, IFA F8 und F9, der Trabant-Vorläufer AWZ P70 und der wunderschöne Wartburg 311.
Auch seidenweich säuselnde Sechszylinder hatte die DDR zu bieten. Bevor die ersten Trabis 1957 aus den ehemaligen Horch-Werken in Zwickau rollten, entstand dort eine moderne Repräsentationslimousine, die sich hinter zeitgenössischen Mercedes oder BMW nicht zu verstecken brauchte: der Sachsenring P 240.
Luxuswagen im Sozialismus nicht gewollt
Der 80 PS starke P 240 war technisch und optisch auf der Höhe der Zeit. Doch Luxuswagen waren in der DDR nicht gewollt. Die knappen Ressourcen sollten für den Bau von volksnäheren Vehikeln genutzt werden.
Zudem brachten die Sowjets selbst Limousinen für den gehobenen Geschmack in die DDR: GAZ M 21 und der Nachfolger GAZ M 24, beide bekannt als Wolga. Zu den Privilegierten, die einen Wolga fahren durften, zählte neben der Polit-Elite die Volkspolizei. Doch auch für Otto-Normal-DDR-Bürger gab es eine Chance, in einem Wolga mitzufahren – allerdings nur gelegentlich, und zwar im Taxi.
Nur: Warum hat sich damals niemand über die gelebte Ungleichheit im Arbeiter- und Bauernstaat aufgeregt? Die Parteibonzen fuhren im Citroën CX oder im SED-Volvo 264 durch die Gegend.
Warum genießen Ost-Autos Kultstatus?
In der unmittelbaren Nachwendezeit wurden Ost-Autos als technisch überholte Erinnerungen an unfreie Zeiten diskreditiert, verramscht, verschrottet. So ging es Trabi wie Wartburg. Doch mittlerweile gelten sie als anerkannte Klassiker mit oft positiver Preisprognose, denn sie sind robust, leicht zu reparieren und nicht zuletzt verbinden viele Menschen schöne Erinnerungen mit ihnen. Trabant, Wartburg und Barkas genießen Kultstatus – einige Modelle sind sogar richtig teuer geworden, etwa das Wartburg 311 Coupé.
Auferstehen des DDR-Auto-Kults
Die robusten Zweitakter aus DDR-Tagen sind auch heute noch vielen ein Begriff, und mittlerweile dreht man sich nach ihnen um. Schon immer stark in der DDR vertreten, haben von allen Ost-Oldies am meisten Trabis überlebt. Aktuell wächst deren Zahl auf deutschen Straßen wieder! Der Trabi-Tiefpunkt war 2014 erreicht, als nur noch 32.311 Rennpappen hierzulande angemeldet waren. Seitdem ist die Zahl stetig gewachsen, man erinnert sich des automobilen Kulturguts, richtet ihn her. Nicht wenige haben den Westen erobert. Nach neuesten Zahlen sind wieder 40.826 Trabis in Deutschland zugelassen.
Wer in den Wendejahren im Osten lebte, oder kurz danach die Grenze passierte, hat sicher immer noch den Geruch nach verbranntem Zweitaktgemisch in der Nase. So kann es einem gelegentlich auch heute ergehen, insbesondere, wenn der Einheitstag 3. Oktober oder der die historisch wichtige Mauerfall am 9. November herannaht.
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