A ls die Tuner in den 80er-Jahren so richtig frei drehten, trieb es die Styling Garage so richtig auf die Spitze: Sie schuf mit dem SGS Arrow C1 ein extremes Angeberauto mit Klappscheinwerfern und Flügeltüren. Es war ein Zwitter aus einem seriösen 500 SEC mit Flügeltüren der Mercedes Legende 300 SL und der Front des sensationellen C111. Ergebnis: Ein Auto, das polarisiert, ja, das aufregt, so sehr verändert, das Zurückrüsten keine Option darstellt. Hier zwei Meinungen dazu!
Helge Thomsen: "Der Arrow ist ein strahlender Stern unter den Fließband-Autos"
Als Kind ist man kreativ und ALS und frei von Konventionen, deshalb lohnt sich ein Blick in den eigenen Rückspiegel: Ich habe Matchbox-Autos zu Cabrios aufgesägt und bunt angepinselt. Später Bonanzaräder getunt und Mofas mit Hobby-Rider-Lenker zum Chopper umgefummelt. Mein erstes Auto? Ein Ford Granada. Mattschwarz gerollt, mit Flammenlackierung und hochgelegter Hinterachse, die Kotflügel mit der Flex vergrößert, damit die 9x16-Rial-Felgen im Radkasten keine Platzangst bekommen. Aber einen Mercedes verunstalten? Schon damals haben die Originalfetischisten kopfschüttelnd reagiert und sich lieber auf das berufen, was ihnen Ingenieure und Werbetexter vorgeplappert haben. Einen Mercedes baut man nicht um, der ist doch perfekt! Technisch vielleicht, aber optisch?
Wer will sich denn als weltoffener Autonerd in die rechte Spur der Daimler-Spießer einfädeln? Ich nicht. Mercedes hatte sich schon damals bewusst im Schatten der aktuellen Mode bewegt, um eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen. Wer seine Individualität ausleben wollte, wurde beim öden Vertragshändler also nicht befriedigt. Deshalb freue ich mich, dass es Kreationen wie den Arrow gab. Die Extravaganz auf vier Rädern, für Individualisten und Andersdenkende. Für Paradiesvögel und Freigeister, denen die Meinung von Ottonormalbenzinverbrauchern schon immer egal war. Solche Fahrzeuge waren eben Showcars und zeigten, dass sich ein originelles Leben jenseits von Stangenware und Originalzubehör lohnen kann.
Individualität als Lifestyle ist gerade in der heutigen Norm-Welt grauer Leasingautos ein mutiges Statement gegen den belanglosen Einheitsbrei. Unvernünftig? Wohl kaum, denn heute ist ein "Mercedes" wie der Arrow C1 ein begehrtes Sammlerstück. Ist das vielleicht sogar Kunst?
Lars Busemann: "Gipfel der Respektlosigkeit gegenüber Ingenieuren und Designern"
Schon als Kind war ich fasziniert von Mercedes-Benz-Automobilen. Die erste Mitfahrt im signalroten 200/8 meines Onkels Manfred in den frühen 80ern ließ mich als feinfühligen, fünfjährigen Auto-Narren den immensen Unterschied erkennen zum Mazda 626 2.0 (Baujahr 1980) meines Vaters. Welcher sich im Vergleich anfühlte, als sei er aus Pappmaché. Als ich später lesen lernte, Mercedes-Bücher und Automagazine verschlang, habe ich erfahren: Hinter den Autos mit dem Stern steht ein Hersteller mit langer Tradition und mit dem Anspruch, das Beste zu bauen, was möglich ist. Die Kosten spielten damals nicht die erste Geige. So war es jedenfalls noch in den 70er-/80er-Jahren.
Eine Ikone: die von 1979 bis 1992 gefertigte Baureihe W 126, bis heute das meistgebaute Luxusauto der Welt mit 892.123 Exemplaren, davon 74.060 Coupés. 2009 habe ich mir einen kindlichen Lebenstraum erfüllt: Ich habe einen 1988er 560 SEC aus Schweizer Ersthand im Originalzustand erworben, und mich fasziniert dieses ingeniös durchdachte Auto bis heute. Dessen konstruktive Genialität, dessen innovative Details und dessen zeitlos-elegantes Design machen den Reiz aus. Wer maßt sich an, dieses ingeniöse Gesamtkunstwerk nachträglich verbessern zu wollen?
"Eine entstellte Kreatur"
Der Arrow ist für mich ein automobiles Scheusal, eine massakrierte, vergewaltigte, entstellte Kreatur. Der Anblick dieses für die optische Show missgebildeten Ungetüms macht mich fassungslos. Der Arrow ist nicht nur potthässlich, ihm geht auch jeder Reiz eines Mercedes ab: stilistisch billigste, damals jedoch teure Effekthascherei ohne funktionalen Sinn.
Jedwede Detailänderung an einem SEC empfinde ich als respektlos gegenüber dessen Erfindern. Nicht einmal aus zeitgenössischer Sicht kann ich diesem Zombie aus einem B-Movie-Horrorfilm irgendetwas abgewinnen.
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