Warum sitzt Audi in Ingolstadt?

2 months, 1 week atrás - 15 Setembro 2024, auto motor sport
Warum sitzt Audi in Ingolstadt?
Ersatzteile, Motorräder, Kleinlaster: Die Anfänge von Audi in Ingolstadt waren bescheiden. Doch wie kam Auto Union 1949 nach Ingolstadt und der Mercedes-Stern auf den Auspuffkrümmer des ersten Audi? Lesen Sie hier, wie aus der Zweitaktermarke DKW ein Premiumhersteller wurde.

Vom ehemals zweitgrößten deutschen Autokonzern war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr viel übrig. Die Fabriken von Audi, DKW, Horch und Wanderer in Chemnitz, Zwickau und Zschopau waren demontiert oder zerstört. Die Auto Union wurde 1948 aus dem Handelsregister der Stadt Chemnitz gelöscht.

Ende in Zwickau, Anfang in Ingolstadt
Das hätte das das Ende sein können, war aber ein Anfang. Denn einige ehemalige Führungskräfte suchten im Westen nach neuen Möglichkeiten, verhandelten mit Banken, sondierten Standorte. Dabei half, dass Dr. Hans Schüler die Rechte an den Marken der Auto Union für die westlichen Besatzungszonen sicherte, ehemalige Mitarbeiter aus Sachsen nach Bayern abwanderten und die Bayerische Staatsbank den ehemaligen und bald wieder neuen Vorständen Dr. Richard Bruhn und Dr. Carl Hahn Kredit gab.

Zimmertüren zu Zeichentischen
In Ingolstadt standen Gebäude zur Verfügung: Das ehemalige Heeresproviantamt in der Schrannenstraße 3 wird der erste Standort der Auto Union GmbH, die am 3. September 1949 gegründet wird. Die Anfänge sind bescheiden: "Die Leute haben ihre eigenen Werkzeuge zur Arbeit mitgebracht und Zimmertüren zu Zeichenbrettern umfunktioniert", erklärt Unternehmenshistoriker Ralf Friese. Dass es Ingolstadt wurde, lag an den Möglichkeiten: Ingolstadt liegt logistisch günstig an der Autobahn, Carl Hanh war ganz in der Nähe beim Grafen Sandizell untergekommen und es gab gute Kontakte zum Auto-Union-Händler Brod: "Die haben am Küchentisch von Brod Pläne geschmiedet", erzählt Friese.

In Zwickau fängt die Trabant-Geschichte an
Die alten Standorte in der sowjetischen Besatzungszone kommen nicht mehr in Frage. In Zwickau entsteht 1948 der Industrieverband Fahrzeugbau (IFA), der Lastwagen und Dieselmotoren produzierte. Die VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau beginnen 1958 mit der Produktion des Trabant.

DKW baut den Schnelllaster
Im Zentraldepot entwickeln die DKW-Mitarbeiter das erste Nachkriegsfahrzeug: Den Schnelllaster F 89 L mit Zweitackt-Zweizylinder, Frontantrieb und einer Dreivierteltonne Nutzlast. Der Kleinlaster und das leicht veränderte Vorkriegs-Motorrad DKW RT 125 W sind die ersten Fahrzeuge, die 1949 in Ingolstadt gebaut werden. Bis 1971 nutzt Audi das Magazingebäude als Archiv.

Das erste Auto nach dem Zweiten Weltkrieg baut DKW hingegen in Düsseldorf. Im Stadtteil Derendorf steht ein Gelände, das mal der Rheinmetall gehört hat, zur Verfügung. Dort rollen im August 1950 die ersten Zweitakter vom Band.

Das erste Autowerk in Ingolstadt
Die Wirtschaft läuft an, DKW verkauft fleißig Kleinlaster, Motorräder und Personenwagen. Ende der 1950er-Jahre sind Motorräder jedoch zunehmend weniger gefragt, ein neues Auto muss her: DKW Junior heißt das Modell, das ab Juli 1959 in einem Werk an der Ettinger Straße in Ingolstadt gebaut wird. Das neue Werk ist das modernste Europas – bis Opel 1962 die Kadett-Fertigung in Bochum baut.

Mercedes kauft die Auto Union
Im Jahr 1958 steigt auf Betreiben des Großaktionärs Flick die Daimler Benz AG bei Auto Union ein. Die Stuttgarter schicken 1962/63 ihren ehemaligen Rennwagen-Konstrukteur Dr. Ludwig Kraus nach Ingolstadt. Er soll den F 103 zur Serienreife bringen und hat außerdem einen von Mercedes halbfertig entwickelten Vierzylinder im Gepäck: Der Mitteldruckmotor mit dem Codenamen "Mexico" soll den Zweitakter ablösen.

Der erste Nachkriegs-Audi
In der Karoserie des DKW F 102 kommt das neue Auto mit 1,7-Liter-Vierzylinder auf den Markt. Weil DKW zu sehr für Zweitakter steht, kommt das neue Modell als erster Nachkriegs-Audi auf den Markt. Später, als weitere Leistungsvarianten mit 55 bis 90 PS folgen, wird das Urmodell nach der Leistung seines Motors schlicht 72 genannt.

VW und der Audi 100
Mercedes kauft 1962 das Düsseldorfer DKW-Werk und baut dort bis heute Transporter. Volkswagen übernimmt 1964 bis 1966 die Mehrheit an der Auto Union und lastet das Ingolstädter Werk mit der Produktion des Käfer aus. Das Entwickeln neuer Autos hat VW-Chef Heinrich Nordhoff der Tochter verboten.

Doch das interessiert Ludwig Kraus nicht. Der tüftelt nach Feierabend mit hochmodernen Finite-Elemente-Methoden am Audi 100 und zeigt ihn Nordhoff erst, als er fertig ist. Der genehmigt die Schwarzentwicklung nachträglich und macht den Aufstieg Audis zu einem Konkurrenten von BMW und Mercedes möglich.

Ingolstadt wächst mit Audi
Audi darf künftig ganz offiziell eigene Autos entwickeln und baut dafür 1969 die Technische Entwicklung in Ingolstadt. Mit der Übernahme von NSU wird die NSU Auto Union GmbH mit Sitz in Neckarsulm gegründet. Dort baut Audi bis heute Autos. Erst seit 1985 heißt die Firma wie die Marke: Die Audi AG sitzt in Ingolstadt. Die Stadt an der Donau entwickelt sich mit zunehmendem Erfolg des Autoherstellers von einer kleinen zu einer großen Stadt: Die Einwohnerzahl wächst von 40.523 im September 1950 auf 143.590 im Januar 2024.

Fazit
Eine Reihe von Zufällen führte dazu, dass Audi heute in Ingolstadt seinen Sitz hat. Eine Rolle spielten neben der logistisch günstigen Lage an der Autobahn Kontakte zum Auto-Union-Händler Brod und die Genehmigung amerikanischer Offiziere, ein Ersatzteildepot einzurichten. Die passenden Räume waren in der damals noch relativ kleinen Stadt an der Donau vorhanden.

Heute ist Ingolstadt die fünftgrößte Stadt Bayerns und Audi ein Konkurrent von BMW und Mercedes. Dass ausgerechnet der heutige Konkurrent aus Stuttgart eine Zeitlang Eigentümer der Firma war und mit dem ehemaligen Silberpfeil-Entwickler Ludwig Kraus indirekt zum Aufstieg der Marke beitrug, ist der Witz an der Geschichte. An frühen Audi ist übrigens der Stern noch auf Krümmer und Thermostatgehäuse zu sehen – die Formen wurden erst später geändert

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