Länder wie Frankreich oder die Schweiz haben ein deutlich längeres Hauptuntersuchungsintervall bei historischen Fahrzeugen. Wäre diese Regelung auch für Deutschland sinnvoll?
Martin Puthz: "Geringe Mängelquote spricht für gute Pflege"
Oldtimer werden wenig gefahren, im Schnitt gut 1500 Kilometer im Jahr. Sie sind überdurchschnittlich gut in Schuss. Gerade meldete die Prüforganisation GTÜ, dass fast 55 Prozent der H-Kennzeichen-Träger bei der Hauptuntersuchung (HU) mängelfrei abschnitten. Das verrät weniger über die Fahrzeuge als über die Pflege-Mentalität der Besitzer – und wäre mir, gerade deshalb, Rechtfertigung genug, das Prüfintervall von zwei auf vier Jahre auszudehnen. Auch Versicherungen gewähren Sonderkonditionen, weil es mit Liebhaberfahrzeugen wenig Ärger gibt. Warum Klassiker bei der HU wie Alltagsschlurren behandelt werden, ist für mich daher allenfalls mit dem monetären Interesse der Prüforganisationen zu erklären. Denn mal ehrlich: Mit den Checks wird Kasse gemacht. Jaja, Verkehrssicherheit ist ein hohes Gut. Aber zeigen nicht die Regeln im Ausland, dass Oldtimer keine technische Risikogruppe sind?
Frankreich etwa dehnt das Prüfintervall bei historischen Fahrzeugen auf fünf Jahre aus, die (in diesem Punkt äußerst penible) Schweiz sogar auf sechs. Probleme sind keine bekannt – auch nicht aus Polen, Großbritannien, Holland oder Belgien, wo Sammlerfahrzeuge ab einem bestimmten Alter von Amts wegen überhaupt nicht mehr zur HU müssen. Im Übrigen wäre auch bei Youngtimern zwischen 20 und 30 die Mängelquote niedriger, wenn nicht das Haar in der Suppe gesucht und bei technisch gepflegten Autos ein sprödes Wischerblatt oder ein Riss im Verbandkastendeckel in der Statistik auftauchen würde. Formal okay, aber wenn man sieht, was teilweise trotz regelwidriger Umbauten und Originalitätsabweichungen H-Segen erhält, wäre Prüfer-Strenge da sicher angebrachter.
Frank B. Meyer: "An Sicherheit zu sparen ist asozial"
Klar kann ich Klopapier und Nudeln horten. Wer weiß, vielleicht wird's ja knapp. Klar kann ich mitten in der Coronakrise die Kinder auf den Spielplatz schicken. Ist doch bequemer für alle. Ja – so ein Verhalten ist aber auch asozial. Weil ich damit anderen Menschen schaden könnte. Was das mit dem Hauptuntersuchungsintervall zu tun hat? Ich mag das Konzept des "Worst Case Scenario": Vor einer Entscheidung überlege ich, was schlimmstenfalls passieren könnte. Angenommen, das Intervall für Oldtimer wird verlängert. Dann brettert – schlimmstenfalls – einer ungebremst auf den vollen Spielplatz. Deutschland wird erschüttert sein. Haben die Bremsen versagt? Es stellt sich heraus: Die letzte Hauptuntersuchung (HU) war vor fast vier Jahren, ganz legal. Was tatsächlich die Unfallursache war, zählt nicht mehr, dann ist Shitstorm-Time. Deutschland heult auf: "Diese Angeber mit ihren Oldtimern! Genießen auch noch Privilegien! Verbieten!"
Ich gehöre nicht zu den Leisetretern, die glauben, die Oldtimerbranche sollte keine lauten Forderungen stellen. Oldtimer sollten zum Beispiel weiter in Umweltzonen fahren dürfen: weil sie dort niemandem schaden. Aber bei der HU geht es um Sicherheit. Dafür ist sie da. Für die Bestätigung, dass mein Auto sicher sei, alle zwei Jahre 100 oder 110 Euro auszugeben, finde ich zumutbar. Es trifft ja meist nicht die sozial Schwächsten. Schon gar nicht, wenn jemand mehrere Oldtimer hat. Eine Sache muss aber dringend geändert werden. Auf unseren Straßen sind ungezählte unsichere Schrotthaufen mit Gefälligkeitsplaketten unterwegs. Die Prüforganisationen müssen endlich, endlich ihre eigenen Prüfer prüfen!