Der Hof von Kay Krohn ist eine Zeitreise zurück in die 90er. Ein VW New Beetle steht in der Einfahrt, in einer Ecke wartet ein Mercedes 200 D (W 124) auf Wiederbelebung. In der Garage parkt ein Ford Escort Cabrio der letzten Generation. Unscheinbare Youngtimer wärmen Krohns Herz.
Und inmitten der einstigen Alltagshelden steht der Unscheinbarste von allen und sticht doch heraus: Es ist sein silberner VW Golf 3 CL mit frisch geprägtem H-Kennzeichen. "Das ist ziemliche Basisausstattung: kein Airbag, kein ABS, kein Drehzahlmesser – dazu immerhin der 1,8-Liter-Vierzylinder mit 75 PS", erzählt Krohn. Darunter gab’s noch einen 60-PS-Benziner.
Einer der ersten Golf 3, der vom Band lief
Die Sparausstattung macht den Dreitürer speziell, doch er hat noch eine ganz andere Besonderheit: Mit seiner Erstzulassung am 14. November 1991 ist er einer der ältesten der Baureihe. Fünf Tage vorher lieferte VW die ersten 12.000 Golf-3-Modelle in Deutschland aus, die in den Folgetagen nach und nach von Händlern und ersten Kunden zugelassen wurden. Darunter Krohns Auto.
Nach 30 Jahren sind sie fast alle verschrottet oder exportiert – gerade die billigsten. Doch Krohn hat eines der seit Jahrzehnten liebsten Autos der Deutschen gerettet: Im November 2021 bekam er ein H-Kennzeichen – zwei Wochen nach Erstzulassung, vor allen anderen der Baureihe. Dass es überhaupt so lange gedauert hat, liegt an kritischen Blicken einiger Prüfer.
Und dass es so weit kam, an Krohns Hartnäckigkeit – und glücklichen Umständen in der Vergangenheit. Der Golf 3 gehört im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht zu den Dauerläufern des VW-Konzerns. Bereits in den 90ern begannen viele zu rosten. 2009 trug die Abwrackprämie unzählige zu Grabe: Der Golf machte mit dem Jetta und Vento zwölf Prozent der abgewrackten zwei Millionen Autos aus, Generation 3 litt besonders.
Hohlraumversiegelung durch Erstbesitzerin
Von alldem blieb Krohns Golf verschont. Eine ältere Hamburgerin hatte das Auto 1991 neu erworben, stets in der Garage geparkt und bis 2014 gefahren. Irgendwann ließ sie ihn hohlraumversiegeln – womöglich in den 90ern, als sie sah, wie die anderen Golf um sie herum anfingen zu rosten. Dieser blieb nahezu rostfrei.
Eine Bekannte von Krohn fuhr den Golf, bevor er ihn 2017 von ihr erwarb. "Ich suchte ein Auto für meinen Sohn. Für mich war es ein ganz normaler Golf 3", erzählt er. Erst als sein bester Freund ihn darauf hinwies, dass es ein ganz frühes Modell sein muss, warf Krohn einen Blick in die Papiere. Zunächst aber fuhr sein Sohn mit dem Golf regelmäßig zur Arbeit, anschließend lernten zwei seiner Töchter fahren mit dem Auto. Kleine Blessuren blieben nicht aus. Einmal kippte bei der Abi-Abschlussfeier von Tochter Vanessa ein Kühlschrank auf die C-Säule.
Zwei Prüfer verweigerten das H-Kennzeichen
Als 2021 der runde Geburtstag näher rückte, begann Krohn den Golf für das H-Kennzeichen herzurichten. Viel stand nicht an: Eine neue Benzinpumpe war nötig, Krohn tauschte alle Filter, wechselte Öl und Kerzen. An der Beifahrerseite setzte er ein Reparaturblech ein und lackierte den Kotflügel anschließend neu. Aus Neugier fuhr er probeweise zur Prüfstelle.
"Der Prüfer fand den Golf technisch top, meinte, das sei ein super Gebrauchtwagen", erzählt Krohn. Aber es gebe zu viele Blessuren. "Ich begann dann zu diskutieren, das sei doch Patina und gehöre zu so einem Fahrzeug. Er entgegnete nur, dass er das nicht machen könne, sprach von Vorschub zur Steuerhinterziehung oder so ähnlich."
Dabei zahlt Krohn mit dem H-Kennzeichen nun drauf! Statt 132 Euro Steuern für den 1,8-Liter- Motor mit Euro-2-Norm im Jahr sind es künftig 191 Euro. In Umweltzonen durfte der Golf mit grüner Plakette schon immer.
Krohn investierte 1200 Euro in Reparaturen
Auch ein zweiter Versuch andernorts scheiterte: Der Kotflügel war diesem Prüfer nun zu schlecht lackiert, die Dellen und Schrammen zu viel. Bei einem Porsche 911 wäre das vielleicht zu tolerieren, aber nicht bei einem Golf 3. "Ich war zutiefst enttäuscht. In dem Moment hätte ich am liebsten meinen 20-Kilo-Hammer aus der Ecke geholt", sagt Krohn.
Sein bester Freund baute ihn auf. Er vermittelte die Reparatur in einer Werkstatt. 1200 Euro kostete der Besuch inklusive H-Gutachten. Gespart hat Krohn also wahrlich nichts. Aber die Freude ist groß: "Ich bin froh, dass der Golf sein Leben als billiger Gebrauchter hinter sich hat."
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