Der Strichacht ist seinen Rost los

6 years, 6 months atrás - 10 Maio 2018, AutoBild
Der Strichacht ist seinen Rost los
Der Mercedes-Strichacht der Redaktion hatte Rostbeulen noch und noch. Nach ausgiebigen Blecharbeiten stand der MB 230.4 endlich gut da. Das Tagebuch des Dauertesters!

Der scheinbare Top-Zustand des AUTO BILD KLASSIK-Dauertesters Anfang 2017 trog doch. Verdammt. Als Auto der Vernunft war der blaue Mercedes  der legendären /8-Baureihe mit nicht einmal 80.000 Kilometern zum Dauertester aufgerückt. Als erster Vierzylinder im Dauertest-Betrieb von AUTO BILD KLASSIK, ein Auto, das nur mäßig trinkt. Doch es war zu schön, um wahr zu sein, der Strichacht rostete genau wie seine Brüder. Immer mehr Bläschen erschienen am Radlauf; im Herbst platzten sie rostrot auf, und es wurde klar: Der Benz musste zur Kur. Der erste Kostenvoranschlag lautete 8118,47 Euro, eine Summe gefährlich nahe am Zeitwert des 230.4 und damit am wirtschaftlichen Totalschaden. Es musste eine andere, zeitwertgerechte Lösung her. In einer freien Werkstatt in Frankfurt durften wir ausnahmsweise so viel machen, wie wir handwerklich konnten. Dann übernahmen die Profis.

Schon die Messung per Schichtdickenmessgerät alarmierte: Bis zu fünf Millimeter Aufbau rund um die hinteren Radläufe! Hier hat also mal jemand richtig dick aufgetragen. Wieder hieß es: Vorsicht bei Karosserieschäden, hinter jeder Pustel kann sich ein Drama verbergen. Wir nahmen den Lack an den Roststellen ab und sahen das ganze /8-Drama: Mag unser Auto auch obenrum Erstlack tragen und untenrum erstklassig lackiert sein: Hier wurde genauso repariert, wie diese alten Mercedes und ihre Zeitgenossen für den nächsten TÜV zurechtgemacht wurden – schnell ein Blech über den Rost heften, kräftig aufspachteln und möglichst hübsch lackieren. Unser Dauertester war viel dichter am typischen /8, als wir angesichts der Top-Optik geahnt hatten.

Ersatzteilsuche schwieriger, als gedacht

Keine Chance zur kleinteiligen Reparatur, nur die großflächige Sanierung würde den /8 retten. Drei Ersatzbleche waren für jede Seite nötig: die unteren Hälften der Kotflügel, dazu Reparaturstücke für den Radkasten und den inneren Abschluss der Taschen. Teuer waren diese Repro-Teile nicht - doch wir erlebten die nächste Überraschung. Die angeblich so perfekte Ersatzteil-Logistik rund um alte Mercedes schwächelte. Die Teile waren bei vielen Händlern ausverkauft; Liefertermin unbekannt. Und Mercedes hatte gar nichts, aktuell nicht einmal die rund 730 Euro teuren kompletten Kotflügel, die dafür hoch bis zur C-Säule reichen. Nach vier Wochen intensiver Suche waren die Teile endlich da. Mit ihnen als Muster setzten wir die Flex an zum großen Schnitt.

Weil die Kosten jetzt schon den Marktwert unseres ansonsten ja grundsoliden Autos erreichen, entschieden wir uns zu einer zeitwertgerechten Reparatur. Wir flexten und schliffen und setzten wo es nötig war, passgenaue Bleche ein. Es war eine kleinteilige Arbeit, und sie musste gründlich gemacht werden. Sorgfältige Blecharbeit war entscheidend. Je exakter alles sitzt, je glatter die Oberfläche ist, desto weniger Zeit fließt in die Lackvorbereitung. Als knifflige Stelle erwies sich der lange Spalt zwischen dem neuen Kotflügel und dem Bestandsblech: Früher hätte man Karosseriezinn aufgetragen. "Wir greifen heute zu Zinnersatzspachtel", sagte Lackierer Markus Dietler. Die Vorteile: Er ist nicht nur viel einfacher und schneller zu verarbeiten, sondern bietet mit seiner Epoxidharz-Grundlage auch besseren Rostschutz.

Kunstvolles Lackieren im richtigen Farbton

Beim Lackieren kam die moderne Technologie an ihre Grenzen: Ein Hightech-Mischgerät von Glasurit traf es in zwei handgespritzten Lackmuster das Graublau metallic (Mercedes-Code 906) unseres /8 nicht. Also kam ein Farbtonmessgerät zum Einsatz, die mittels einer Servicemischformel 98 Prozent Übereinstimmung verspricht. Doch auch dieses Muster überzeugt nicht. "Das Auge sieht es oft anders", sagte Lackexpertin Alice Ruthardt von Glasurit: "Hier ist Erfahrung gefragt." Erst ihre Wahl passte schließlich zu unserem /8. Also alles gut am Ende? Optisch ja. Aber sonst keineswegs. Denn für Glücksgefühle sitzt der Preisschock viel zu tief. So verlief der Neuaufbau des einstigen Rost-Strichacht.

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