"Der Trabant ist besser als sein Ruf." So betitelte AUTO Straßenverkehr im Heft 11/1990 einen Beitrag des Ingenieurs Wolfgang Barthel, eines Entwicklers des Trabant. Der Kleinwagen hatte 1957 als P50 das Licht der Automobilwelt erblickt, wurde ab 1958 in Zwickau gebaut und erhielt 1964 mit dem 601 eine neue Optik, die dann bis zum Produktionsende 1990 keine wesentliche Änderung mehr erfuhr. Er war der lang gebaute DDR-Volkswagen, auf den Menschen Jahre warteten.
Premiere 1964 in Leipzig
Die Öffentlichkeit durfte den P50-Nachfolger P 601 erstmals auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1964 sehen, die Serienproduktion startete am 1. Juni des gleichen Jahres. "Der Deutsche Straßenverkehr", das Vorgängerblatt von 1953 bis Frühjahr 1990, berichtete im Heft 4/1964 von der Leipziger Messe. DDR-typisch für diese Zeit war der Vergleich mit dem Weltmaßstab. Der wurde natürlich auch für den Trabant 601 bemüht: "Nächstliegende Vergleichsobjekte boten die in Leipzig ausgestellten zwei kleinen Fiat-Modelle 500 D und 600 D, die doch als Spitzenleistungen auf dem Kleinwagensektor gelten. Schon aus wenigen Vergleichsdaten lässt sich das hohe Niveau des Trabant 601 erkennen. Er ist auch deutlich überlegen hinsichtlich Platzverhältnissen, Abmessungen und Kofferraumgröße." So ließ sich sagen, "dass der Trabant 601 jetzt eine Spitzenstellung in seiner Wagenkategorie einnimmt".
So weit, so gut.
Trabant 601 mit anfänglich 23 PS
Diese Werte sind bis an sein Ende nie in Zweifel gezogen worden. Und auch die anfängliche Leistung von 23 PS, die bald auf 26 PS angehoben wurde, war damals ausreichend. Damit konnte der Trabant auch noch Jahre später so flott durch die DDR und das zugelassene Ausland gefahren werden, dass sich daran keine ernsthafte Kritik entzündete.
Es war vielmehr die Art und Weise, wie das 600 cm³ kleine Motörchen zu seiner Leistung kam: Es zweitaktete, bekam sein Schmieröl aber nicht wohldosiert per Pumpe zugeführt, sondern zusammen mit dem Kraftstoff-Luft-Gemisch. Und mit ihm verbrannte es auch. Wenn dann der TÜV in Messungen zu Wendezeiten um 1990 feststellte, dass Trabant-Abgase nicht mehr Kohlenmonoxid (CO) enthielten als vergleichbare Viertaktmotoren, ist das nur ein schwacher Trost. Denn zum einen wurden Zweitaktmotoren in der Startphase mit einem Kraftstoff- und damit auch Ölüberschuss gefahren. Man zog den Choke. Und viele ließen ihn zu lange gezogen, was zu den berüchtigten blauen Abgaswolken führte. Sie wurden nicht nur von den schnell gereizten Augen wahrgenommen, sondern vor allem von der Nase. Aber auch ein korrekt betriebener Zweitakter ist immer ein Stinker.
Neben Augen und Nase litten zudem die Ohren unter dem Geknatter des Zweizylinders. Es hatte rein gar nichts von dem, was man unter einem Automotorengeräusch versteht. Dabei war es weniger die gemessene Lautstärke, die auf die Nerven ging, sondern die unangenehme Tonstruktur aus Gebell und Geheul, ein TöffTöff und EhhhEmmNemmNemm. Der internationale Pkw-Motorenbau hatte in dieser Zeit bereits entsprechend reagiert: Der Zweitakter war ein Auslaufmodell.
Der von Staatsinteressen geleitete Fahrzeugbau der DDR hingegen erhielt den Auftrag, Mopeds, Motorräder und Pkw ausschließlich mit Zweitaktern zu produzieren, weil Bau und Instandhaltung wirtschaftlicher sein sollten als bei Viertaktern. Neben dem Zweitaktmotor war es immer wieder die Karosserie, die den Trabant in Verruf brachte. Sie bestand aus einem Stahlblechgerippe, das mit Phenolplastteilen beplankt wurde. Hier hatte die Not erfinderisch gemacht.
Aus einer Mischung von Nichtbekommen (westliches Embargo) und Nicht-bezahlen-Können (Mangel an Westdevisen) üblicher Tiefziehbleche machte die DDR eine Tugend, entwickelte einen Kunststoff für alles, was einem Gerippe zu einer kompletten Karosserie fehlt. Das waren laut Ingenieur Barthel nur 35 von 620 Kilogramm Auto. Aber es war "Plaste", wie der Volksmund sagte. Der Stabilität hat das nicht geschadet. Aber ein guter Ruf für den Trabant war damit nicht zu machen.
Der letzte Trabant 601 lief 1990 vom Band
Hatten anfangs die Autofahrer und die auf ein Auto Wartenden noch gehofft, dass der Trabant im Laufe seines Lebens noch einen zeitgemäßen Motor bekommen würde oder gar einen Nachfolger, so schwanden die Hoffnungen mit anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten volkswirtschaftlichen Ausmaßes. Nach der politischen Wende von 1989 kamen komplette Einzelfahrzeuge ans Licht der Öffentlichkeit, die vom Geist und Können der Zwickauer Autobauer und seiner Ingenieure kündeten. Ja, sie hatten sich nicht einfach ergeben, sie hatten um den Fortschritt gekämpft.
Im DDR-Kontext darf man ihnen nachträglich zurufen: "Dank und Anerkennung den fleißigen und klugen Ingenieuren des VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau für ihre Bemühungen um einen zeitgemäßen Trabant-Nachfolger." Es reichte aber nicht für einen neuen Motor und schon gar nicht für einen komplett neuen Trabant. Wer weiß, was möglich gewesen wäre, wenn die DDR-Wirtschaft keine anderen Probleme gehabt hätte als mit dem Pkw-Bau – so blieb es bei Basteleien. Die 326 Serienänderungen in 26 Jahren Bauzeit machten aus ihm kein Auto mit gutem Ruf.
Die praktische Nichtweiterentwicklung schlug sich auch im Export nieder. Rollte der kleine Zwickauer im ersten Jahrzehnt seines Lebens fast 20.000 Mal in Richtung Westen, vor allem in die Niederlande und nach Finnland, musste er sich fortan mit Ost-Verschickungen begnügen, hauptsächlich nach Ungarn und in die Tschechoslowakei (CSSR).
Nur der Trabant "Tramp", eine zivile Version des für Armee und Forst konzipierten "Kübel", geriet ab 1978 noch ins nicht-sozialistische Ausland – nach Griechenland. Der Exportanteil lag insgesamt bei knapp einem Drittel, etwas über 800.000 von 2,8 Millionen Einheiten aus Zwickau – und Meerane, wo der Universal, die Kombivariante, entstand.
Mitte der 1970er-Jahre war der Traum von einem RGW-Auto gestorben, einem Pkw im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, den hauptsächlich die DDR und die CSSR bauen sollten. Die DDR setzte auf mehr Importe, auch aus dem Westen wie etwa den VW Golf und Mazda 323. In den 1980er-Jahren, als das Dilemma mit den Zweitaktmotoren immer deutlicher wurde – neben dem Trabant wurde ja auch noch der Wartburg aus Eisenach von einem Zweitakter angetrieben – verstärkte die DDR ihre Kooperation mit dem Volkswagenwerk.
Für prinzipiell neue Autos reichte es weiterhin nicht, aber die alten Trabant 601 und Wartburg 353 W sollten mit VW-Motoren aufgepeppt werden. Das schafften sowohl Zwickau als auch Eisenach gerade noch vor Toresschluss, vor dem Abgesang der DDR. Unter Marktbedingungen hatten dann aber beide keine Chance mehr. Der letzte Trabant 601 lief am 25. Juli 1990 vom Band, von kaum einem Kunden beachtet.
Hohe Nachfrage nach Ersatzteilen
Viel Beachtung fand indessen in seinen 26 Jahren seine einfache, ja schlichte Bauweise. Nicht, dass er ein ausgesprochenes Sorgenkind gewesen wäre. Aber er bedurfte schon der instandhaltenden und pflegenden Hand. Was wir heute unter Service verstehen, war zu seiner Zeit und in der DDR gar nicht bekannt. Für Werkstatttermine stellten sich die Trabantfahrer Wochen vorher ab vier Uhr morgens an. Deshalb nutzten zahlreiche einigermaßen handwerklich und automechanisch begabte Menschen die Reparaturfreundlichkeit des 601, um selbst zu erhalten und zu richten, was jeweils nötig wurde.
Dies führte zu einer ungewöhnlich hohen Nachfrage nach Ersatzteilen, die noch durch eine diskontinuierliche Bereitstellung verstärkt wurde, was zu Angstkäufen führte. Der Trabantfahrer kaufte auf Verdacht, kaufte, was gerade zu haben war, unabhängig davon, ob er die Teile wirklich benötigte oder nicht. Und wenn sie tatsächlich nicht gebraucht wurden, eigneten sich ein Auspuff oder ein Satz Bremsbacken immer noch vorzüglich zum Tausch gegen Materialien wie Bretter oder Ziegelsteine. Die einfache Konstruktion des Trabant ließ auch Generalreparaturen, ja den Neuaufbau eines Totalschadens mit überschaubarem Aufwand zu. Solange die Papiere existierten, starb ein Trabant nicht. Die Folge? Das Sachsenring-Werk in Zwickau und die Zulieferer benötigten rund 30 Prozent ihrer Kapazitäten für den Ersatzteilbedarf.
Fazit
War der Trabant besser als sein Ruf? Ja, das war er. Aber damit war er noch kein "gutes" oder, wie die DDR-Autofahrer gern sagten, "richtiges" Auto. Trotzdem fand er viele Liebhaber. Not macht mitunter erfinderisch, oft auch nur genügsam. Beides ist sehr menschlich.
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